Teuerung

Preisdaten heizen Inflationsdebatte an

Seit Jahresbeginn hat die Inflation nahezu weltweit deutlich angezogen. Die Notenbanker be­schwichtigen und halten das für ein temporäres Phänomen. Die Zweifel an dieser Sichtweise nehmen aber zu.

Preisdaten heizen Inflationsdebatte an

ms Frankfurt

Neue Preisdaten dies- und jenseits des Atlantiks haben zum Wochenausklang die Inflationsdebatte weiter angeheizt. In den USA kletterte der von der US-Notenbank Fed viel beachtete Verbraucherpreisindikator PCE im April auf 3,6% – nach 2,4% im März. Im Euroraum untermauerten die französische In­fla­tion mit 1,8% im Mai und der sehr kräftige Anstieg der deutschen Importpreise von 10,3% im April die Erwartung eines zunehmenden Preisdrucks. Am Montag und Dienstag gibt es erste Schätzungen zur Verbraucherpreisinflation in Deutschland und im Euroraum im Mai.

Geldpolitische Folgen

Die weltweit anziehende Inflation beschäftigt derzeit wie kaum ein anderes Thema Notenbanker, Politiker, Volkswirte und Marktteilnehmer. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob der jüngste Anstieg tatsächlich nur temporär ist, wie auch die Zentralbanken argumentieren, oder ob ein neues Inflationsparadigma droht. Dahinter steht vor allem die Frage, ob etwa die Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) ihre ultralockere Geldpolitik aus der Coronakrise schneller zurückfahren müssen als gedacht. Das könnte die Erholung der Weltwirtschaft dämpfen und die Finanzmärkte hart treffen. Aber auch ohne geldpolitischen Kurswechsel drohen die steigenden Preise bereits den Konsum zu belasten.

Seit Jahresbeginn hat die Teuerung im Grunde rund um den Globus stark und kräftiger als erwartet zugenommen – insbesondere in den USA. In den USA stieg der Verbraucherpreisindex CPI im April gar auf 4,2% an. Für den Trend sind zwar primär Basis- und Einmaleffekte verantwortlich. Inzwischen nehmen aber Sorgen zu, dass der aktuelle Inflationsanstieg womöglich doch nicht so temporär ist. Neben der beispiellos expansiven Geld- und Fiskalpolitik tragen dazu am aktuellen Rand auch zunehmend die Knappheit und die starken Preissprünge bei einigen Vorleistungsgütern und Rohstoffen bei.

Am Freitag nun wurde bekannt, dass sich der Aufwärtstrend auch beim PCE fortsetzt. Dabei legte neben der Gesamtrate auch die Kernrate, die die schwankungsanfälligen Energie- und Nahrungsmittelpreise ausklammert, auf 3,1% zu. Das ist laut Bloomberg der stärkste Anstieg im Vorjahresvergleich seit Juli 1992. Die Fed achtet insbesondere auf die Kernrate und strebt dabei rund 2% an. Nach Jahren unterhalb ihres Ziels strebt sie aber nun explizit eine Phase oberhalb des Ziels an. Zudem betrachtet sie den Preisschub nur als vorübergehend. Trotzdem steht die Fed zumindest vor einer Debatte über eine Reduzierung ihrer beispiellosen Anleihekäufe (vgl. BZ vom 27. Mai). Derzeit kauf die Fed jeden Monat Papiere für 120 Mrd. Dollar.

Von einer solchen Drosselung der Anleihekäufe („Tapering“) sind die Euro-Hüter noch weit entfernt. Tatsächlich hatten sie im März erst das Kauftempo bei ihrem Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP für das zweite Quartal erhöht. Jüngste Aussagen legen nahe, dass sie dieses erhöhte Tempo auch danach beibehalten. Die nächste Zinssitzung steigt am 10. Juni. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel sagte in einem am Freitag veröffentlichten Reuters-Interview: „Man kann keine feste Antwort zu diesem Zeitpunkt geben, ohne die Daten gesehen zu haben.“ Generell warnte sie jedoch vor einer zu frühen Rücknahme der Hilfen.

Aber auch im Euroraum nimmt der Preisdruck zu. In Frankreich legten die nach EU-Methode ermittelten Verbraucherpreise (HVPI) im Mai um 1,8% zum Vorjahr zu, wie das Statistikamt Insee am Freitag mitteilte. Das ist die höchste Rate seit Ende 2018. Im Vormonat hatte die Inflation 1,6% betragen. In Deutschland verzeichneten derweil die Importpreise mit 10,3% den stärksten Anstieg seit Dezember 2010. Im März hatte das Plus bei 6,9% gelegen.

Am Montag und Dienstag veröffentlichen die jeweiligen Statistiker erste Schätzungen zur Verbraucherpreisentwicklung in Deutschland und im Euroraum im Mai. Beobachter gehen von weiter anziehenden Raten aus (siehe Grafik). Für Euroland etwa werden im Durchschnitt 1,9% erwartet, nach zuvor 1,6%.

Als wesentliches Argument gegen eine dauerhaft anziehende Inflation gilt das Fehlen einer Lohn-Preis-Spirale. In Deutschland stiegen die Verdienste der Millionen Beschäftigten im ersten Quartal kaum, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) am Freitag mitteilte. Das Plus lag nur bei 1,3%. Ein kleineres Plus gab es seit Beginn der Statistik 2010 noch nicht.