Inflation

Privatkonsum schwächelt als Erstes

Mit Blick auf die künftigen Heizkostenrechnungen halten sich die Verbraucher beim Konsum immer mehr zurück.

Privatkonsum schwächelt als Erstes

ba Frankfurt

Die Inflation kennt derzeit nur einen Weg – aufwärts. Die Folgen zeigen sich in der deutschen Wirtschaft in der gesamten Breite. Einige, wie etwa die Konsumzurückhaltung sind bereits messbar. Andere, wie etwaige Insolvenzen, werden sich erst viel später zeigen.

Da neben den Energiepreisen insbesondere die Nahrungsmittelpreise zulegen, spürt der Konsument die Inflationsentwicklung quasi täglich beim Einkauf. Die Verunsicherung steigt, und mit Blick auf die künftigen Heizkostenrechnungen halten sich die Verbraucher beim Konsum immer mehr zurück. Das Konsumklima fällt seit einigen Monaten von Rekordtief zu Rekordtief. In einer Umfrage des Einzelhandelsverbands HDE sagten 60%, sie müssten sich beim Einkauf einschränken, um mit ihrem Geld auszukommen. In den kommenden Monaten wird die Zahl wohl auf 76% steigen. Im Einzelhandel trifft es vor allem den Bereich Mode und Bekleidung, Sparpotenzial sehen die 1600 Befragten aber insbesondere auch in den Bereichen Gastronomie, Freizeit und Tourismus. Genau jenen Branchen also, die während der Coronajahre stark unter den Restriktionen gelitten haben.

Von den Ersparnissen, die die Haushalte während der vollständigen Lockdowns gebildet hatten und auf denen ein Gutteil der Wachstumshoffnung ruhte, ist kaum noch etwas übrig. Der Bankenverband BVR erwartet, dass die Sparquote dieses Jahr erstmals seit 2014 wieder in den einstelligen Bereich absinkt – und zwar auf 9%. In den beiden Coronajahren 2020 und 2021 lag die Sparquote bei rekordhohen 16,4 bzw. 15,1% des verfügbaren Einkommens. Zumindest in diesem und auch im nächsten Jahr fällt der sonst zuverlässig für Schwung sorgende private Konsum als Wachstumsstütze aus. Die Konsumausgaben privater Haushalte sind mit Abstand die wichtigste Verwendungskategorie des Bruttoinlandsprodukts.

Angst vor Lohn-Preis-Spirale

Sorgen bereitet wegen der durchaus hohen Lohnforderungen – die IG Metall etwa hat ein Plus von 8% im Sinn – auch die Aussicht einer Lohn-Preis-Spirale, bei der die Arbeitnehmer wegen der hohen Inflation einen kräftigeren Schluck aus der Lohnpulle verlangen. Wobei die Unternehmen die höheren Löhne auf die Preise aufschlagen würden und die Teuerung damit weiter angeheizt würde. Zudem könnten höhere Lohnkosten zu Jobverlusten und schlimmstenfalls zu Insolvenzen führen, die einen weiteren Arbeitsplatzabbau nach sich zögen. Noch aber sehen Ökonomen keine oder allenfalls schwache Anzeichen einer Lohn-Preis-Spirale.

Der schwächelnde Privatkonsum ist denn auch für Ökonomen eines der Hauptargumente, die Wachstumsprognosen deutlich zu kappen. Dass der Rückgang nicht noch höher ausfällt, ruht auf der Hoffnung, dass die Produktion wieder anzieht, wenn sich endlich die Lieferkettenprobleme lösen. Denn die Auftragsbücher des verarbeitenden Gewerbes sind randvoll, wenn auch der Auftragseingang zuletzt wegen der globalen Nachfrageschwäche ebenfalls rückläufig war. Die Exporterwartungen jedoch haben Mitte des Jahres den Rückwärtsgang eingelegt. Die größten Probleme haben derzeit die energieintensiven Betriebe vor allem der chemischen Industrie sowie der Metallerzeugung und -bearbeitung. Seit Februar, so heißt es beim Statistischen Bundesamt, ist die Produktion in der energieintensiven Indus­trie um 6,9% gesunken. „Produktionsstopps, Wertschöpfungsverluste, die Verlagerung von Produktion ins Ausland bis zu Betriebsschließungen sind die Folgen“ der rekordhohen Inflation, mahnt etwa DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Einer Umfrage des Industrieverbands BDI zufolge sehen mittlerweile mehr als 90% der Firmen in den gestiegenen Energie- und Rohstoffpreisen eine existenzielle oder starke Herausforderung. Ungemach bereiten auch die inzwischen eher restriktiven Finanzierungsbedingungen, die Unternehmensinvestitionen hemmen und damit ebenfalls die Konjunktur bremsen.

Rückenwind kommt derzeit noch vom Arbeitsmarkt, der trotz der anstehenden Rezession recht robust ist. Die Arbeitskräftenachfrage be­wegt sich weiter auf hohem Niveau, und der Fachkräftemangel sorgt dafür, dass Unternehmen alles versuchen, ihr Personal zu halten. Nicht zuletzt mit Hilfe der Kurzarbeit, die in den kommenden Monaten ansteigen dürfte.

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