Konjunktur

Rekordinflation in Euroland erhöht Druck auf die EZB

Die Inflation im Euroraum kennt weiter nur eine Richtung – nach oben. Im April markiert sie mit 7,5% ein neues Rekordhoch. Die Finanzmärkte spekulieren bereits auf bis zu vier EZB-Zinserhöhungen in diesem Jahr.

Rekordinflation in Euroland erhöht Druck auf die EZB

ms Frankfurt

Die Inflation im Euroraum eilt von Rekord zu Rekord und breitet sich zugleich immer stärker in der Euro-Wirtschaft aus. Damit gerät die Europäische Zentralbank (EZB) immer mehr unter Druck, rascher aus der ultralockeren Geldpolitik auszusteigen und die Zinswende zu beschleunigen. Die Spekulationen über Zinserhöhungen noch in diesem Jahr nehmen entsprechend zu. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane betonte indes zum Wochenausklang, dass alles von den weiteren Konjunkturdaten abhänge.

Die Inflation im Euroraum hat im vergangenen Jahr rasant und viel stärker als erwartet zugelegt. Der Ukraine-Krieg verschärft die Probleme nun über steigende Energiepreise zusätzlich. Zugleich droht er aber die Konjunktur spürbar zu dämpfen – was die EZB in ein Dilemma bringt. Bislang hat sie im Kampf gegen die hohe Inflation viel zögerlicher agiert als andere Zentralbanken, aber die Inflationssorgen und die Handlungsbereitschaft unter den Euro-Notenbankern wachsen.

Am Freitag nun meldete Eurostat in einer ersten Schätzung, dass die Inflation im Euroraum im April wie erwartet noch einmal leicht von zuvor 7,4% auf 7,5% zugelegt hat. Das bedeutet erneut ein Rekordniveau seit Einführung des Euro im Jahr 1999. Die EZB strebt mittelfristig 2% an. „Entspannung an der Inflationsfront ist nicht in Sicht“, sagte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Nicht nur halte der Ukraine-Krieg die Energiepreise hoch; zudem verschärfe der Anti-Corona-Kurs in China die globalen Lieferkettenprobleme. Die Inflation werde in den nächsten Monaten noch über die 8-Prozent-Marke klettern.

Es ist aber nicht nur das Niveau der Inflation, die Sorgen macht. Der Preisauftrieb macht sich zudem immer breiter in der Euro-Wirtschaft. Haupttreiber der Teuerung waren im April zwar einmal mehr die kräftig gestiegenen Energiepreise, die infolge des Ukraine-Kriegs erheblich anzogen. Auf Jahressicht kletterten sie um 38%. Im März waren es indes sogar 44,4%. Allerdings beschleunigte sich der Preisauftrieb bei Industriegütern ohne Energie und bei Dienstleistungen sogar. Folglich machte die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel einen kräftigen Satz von 2,9% auf 3,5%. Diese Rate gilt vielen als besserer Indikator für den zugrundeliegenden Preisdruck.

„Die Preise legen mittlerweile auf breiter Front zu. Die EZB sollte rasch handeln, damit die Inflationserwartungen der Menschen nicht weiter steigen und sich die hohe Inflation dauerhaft festsetzt“, mahnte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Diese Gefahr gilt als umso größer, als das Risiko einer gefährlichen Lohn-Preis-Spirale so hoch ist wie wohl seit Jahrzehnten nicht.

Zuletzt hatten die Stimmen von Euro-Notenbankern zugenommen, die nach einem kompletten Ende der billionenschweren Staatsanleihekäufe Anfang des dritten Quartals für eine erste Zinserhöhung bereits im Juli plädiert hatten (vgl. u.a. vom 26. April). EZB-Chefin Christine Lagarde hatte entsprechende Spekulationen am Mittwoch angeheizt, als sie eine Zinserhöhung im Sommer avisierte (vgl. BZ vom 28. April). Denkbar scheint dafür aktuell aber auch noch die September-Sitzung.

An den Finanzmärkten wird für dieses Jahr bereits mit drei oder sogar vier Zinsschritten nach oben gerechnet. Aktuell liegt der Leitzins bei 0,0% und der Einlagenzins sogar unter null, bei −0,5%. Am Freitag passten etwa die Analysten der Bank of America ihre EZB-Zinsprognose in dem Sinne an, dass sie ab Juli bei jeder Zinssitzung in diesem Jahr eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte prognostizieren – und damit allein noch 2022 vier Zinsschritte.

EZB-Chefvolkswirt Lane relativierte am Freitag die Debatte über den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung. Wichtiger sei der Umfang und die zeitliche Abfolge bei der Normalisierung der Zinspolitik, sagte er auf Bloomberg TV. „Die Geschichte kreist nicht darum, ob wir uns beim Einlagensatz von −0,5% wegbewegen“, fügte er hinzu. Alles hänge von der weiteren Entwicklung ab. „Das große Thema, bei dem wir noch datenabhängig sein müssen, ist das Ausmaß und der Zeitpunkt der Zinsnormalisierung“, sagte Lane.

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