Konjunktur

Rezessionsrisiko in Deutschland steigt

Das Rezessionsrisiko in Deutschland steigt wegen der Energiekrise – und nur jedes dritte Unternehmen hat einen Notfallplan in der Tasche.

Rezessionsrisiko in Deutschland steigt

ba Frankfurt

Die hohen Verbraucher- und Energiepreise lassen die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in Deutschland deutlich steigen. Der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt für das laufende vierte Quartal ein Rezessionsrisiko von 80,8%. Anfang September betrug die Rezessionswahrscheinlichkeit für die folgenden drei Monate noch 64,1%. Die statistische Streuung, ein Maß für die Unsicherheit von Wirtschaftsakteuren, liegt aktuell bei 15,8%. Das nach dem Ampelsystem arbeitende Frühwarninstrument steht dem IMK zufolge wie in den Vormonaten auf Rot und weist eine akute Rezessionsgefahr aus.

„Wir steuern auf eine vom rückläufigen Konsum getriebene Rezession zu, weil viele Menschen bei anderen Ausgaben sparen, um Energie- und Lebensmittelpreise noch bezahlen zu können“, erklärte Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des IMK. Deshalb sei es wichtig, die Kaufkraft der Bevölkerung zu stützen. Die ab­sehbare Entlastung von rund 35 Mrd. Euro bis zum Frühjahr 2024 durch eine Gaspreisbremse sei ein wichtiger Beitrag dazu – vorausgesetzt, der Vorschlag der Gaspreiskommission werde eins zu eins umgesetzt. Das federe den befürchteten Konsumrückgang ab und könnte das Wirtschaftswachstum um rund einen Prozentpunkt steigern, während die Inflation merklich niedriger aus­fallen dürfte als ohne Gaspreisbremse, erklärt Dullien. Ein weiterer Baustein zur Stabilisierung von Kaufkraft und Konjunktur seien angemessene Lohnerhöhungen.

Den gestern veröffentlichten endgültigen Daten des Statistikamts Destatis zufolge liegt die Inflationsrate in nationaler Rechnung (VPI) aktuell bei 10,0% – so hoch wie noch nie im wiedervereinigten Deutschland. In der Abgrenzung für europäische Zwecke (HVPI) wurde die Teuerungsrate mit 10,9% ebenfalls bestätigt. Seit Monaten sind die Lebensmittel neben der Energie die Preistreiber.

Einen Notfallplan, um die Energiekrise zu bewältigen, hat einer Umfrage des Ifo-Instituts und des Personaldienstleisters Randstad zufolge nur knapp jedes dritte deutsche Unternehmen. „Je kleiner das Unternehmen, desto seltener wurden Maßnahmen auf den Weg gebracht“, erklärte Ifo-Forscherin Johanna Garnitz zum Ergebnis der Befragung unter 700 Personalverantwortlichen. Bei Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden haben demzufolge 60% entsprechende Vorkehrungen getroffen, während es bei Firmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden nur 15% sind.

Je nach Wirtschaftszweig würden sich die Herangehensweisen unterscheiden. In der am stärksten betroffenen Industrie haben sich mit 43% die meisten Unternehmen auf einen möglichen Engpass vorbereitet. Bei den Dienstleistern sind es 25%, im Handel 17%. Wegen des Fachkräftemangels wird ein Personalabbau kaum in Betracht gezogen – die Belegschaft soll lieber Überstunden und Urlaub abbauen. „Die am häufigsten genannte Energiesparmaßnahme ist allerdings die Senkung der Gebäudetemperatur“, sagte Garnitz. Für eher unwahrscheinlich hielten die Befragten die Einschränkung der Geschäftstätigkeit.

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