US-Handelskrieg

Reziproke Zölle liegen wohl bei 20 Prozent

Die Pharmabranche ist in großer Sorge, weil die reziproken Zölle auch den Gesundheitssektor treffen dürften. Erste Indizien für den "Liberation Day".

Reziproke Zölle liegen wohl bei 20 Prozent

US-Präsident Donald Trump will die Ankündigung von reziproken Zöllen an diesem Mittwoch als „Liberation Day“ feiern, als „Befreiungstag“. Nach den Stahl- und Autozöllen soll dann eine ganze Phalanx an neuen Zöllen jene tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse für US-Exporteure ausgleichen, an denen sie im Warenhandel nach seinen Worten bisher gescheitert sind. Sogar die europäischen Mehrwertsteuersystem sollen sich dem Vernehmen nach in diesen Zollsätzen spiegeln. Die US-Zeitung „Washington Post“ erwartet, dass der Durchschnittszollsatz etwa in der Größenordnung von 20% liegen dürfte. Sie beruft sich dabei auf Insider, die mit den Vorbereitungen vertraut seien.

Der „Washington Post“ berichtet zudem, dass die neuen Zölle auf die meisten Importe in die USA erhoben werden jenseits von Stahl und Autos. Es werde mit zusätzlichen Einnahmen in Billionen-Höhe gerechnet, die dann für Steuerrückerstattungen verwendet werden könnten. Die Insider betonten allerdings, es sei noch keine finale Entscheidung im Weißen Haus gefallen, räumt die „Washington Post“ ein. Zahlreiche Optionen seien auf dem Tisch.

Das US-Präsidialamt äußerte sich zunächst nicht zu dem Bericht. Trump hat bereits mehrere Sonderzölle in Kraft gesetzt, etwa auf Stahl und Aluminium, außerdem auf alle Lieferungen aus China. Höhere Zölle auf Auto-Importe der USA greifen ab Donnerstag. Diese dürften vor allem die Europäische Union treffen.

Spezialzölle für Pharmaprodukte?

Eine Besonderheit scheint aber schon festzustehen: Trump sprach zuletzt explizit von eigenen „Pharmazöllen“. Damit will er die Pharmaproduktion von US-Herstellern, die global und fernab des Konzernstandorts stattfindet, wieder zurück in die USA holen. Einen besonders Fokus legt Trump dabei auf Irland: „Diese wunderschöne Insel mit 5 Millionen Einwohnern hat die gesamte US-Pharmaindustrie in der Hand“, sagte er Mitte März dem irischen Premierminister Taoiseach Micheal Martin.

Bislang war dieser Sektor von Zöllen weitgehend ausgespart, weil die ausländische Produktion zum einen über Patentgebühren und Lizenzen für die USA monetarisiert wurde und weil man zum anderen für diesen Sektor humanitäre Gründe anführte. Entsprechend komplex und preisoptimiert wurden die Lieferketten ausgestaltet. Die Gefahr ist daher groß, dass neue Pharmazölle auch zu größeren Lieferverzögerungen, zumindest aber zu großen Preissprüngen führen würden. Letzteres dürfte viele Patienten treffen, weil vor allem Standardmedizinprodukte günstig im Ausland hergestellt werden. Dies wiederum dürfte die Gesundheitskosten weiter in die Höhe schießen lassen.

Fast 90% der US-Biotechnologieunternehmen sind bei mindestens der Hälfte ihrer zugelassenen Produkte auf importierte Komponenten angewiesen, schreibt die Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Auswirkungen würden besonders stark in der Generikabranche zu spüren sein, heißt es. Eine Verlagerung in die USA sei schwer und die preislichen Folgen wären für die Patienten wohl untragbar.

Europa droht mit Digitalzöllen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte zuletzt im Europäischen Parlament, es liege ein „starker Plan“ in der Schublade. „Unser Ziel ist eine Verhandlungslösung. Aber natürlich werden wir, wenn nötig, unsere Interessen, unsere Menschen und unsere Unternehmen schützen“, sagte sie in Straßburg. „Wir wollen nicht unbedingt Vergeltung üben.“ Wenn dies aber notwendig sei, werde der Plan umgesetzt. Zuletzt wurden Forderungen laut, die Internet-Riesen aus dem USA ins Visier zu nehmen. Dies könnte Gebühren bedeuten oder sogar eine Digitalsteuer. Von der Leyen sagte, die US-Zölle würden die Inflation wieder anheizen, die Kosten von Unternehmen in die Höhe treiben und am Ende zu Stellenstreichungen führen.

Unterdessen hat die EU bekundet, ihre Handelspartnerschaften – auch als Reaktion auf Trump – auf ein breiteres Fundament zu stellen. Außerdem sollen Handelshemmnisse innerhalb des Binnenmarktes beseitigt werden. Dazu soll die Kommission nächsten Monat konkrete Vorschläge machen.


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