Risiken für die Finanzstabilität nehmen mittelfristig zu
Finanzstabilität unter Druck
IWF befürchtet Volatilitätsschübe an den Märkten – Datenlage für Aufsicht zu schlecht
Die globale Finanzstabilität hat sich laut dem Internationalen Währungsfonds in den vergangenen Monaten nicht verschlechtert. Doch Volatilitätsschübe an den Finanzmärkten, eine hohe Verschuldung sowie ein schwaches Wirtschaftswachstum trüben den mittelfristigen Ausblick.
mpi Washington
Eine hohe Unsicherheit bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung gepaart mit niedriger Volatilität an den Finanzmärkten erhöht mittelfristig das Risiko für die globale Finanzstabilität. Zu diesem Schluss kommt der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem Global Financial Stability Report (GFSR). „Insbesondere die zunehmende Diskrepanz zwischen Unsicherheit und Marktvolatilität erhöht die Wahrscheinlichkeit plötzlicher Volatilitätsschübe und drastischer Neubewertungen von Vermögenswerten“, teilt der IWF mit. Ein Beispiel hierfür seien die Marktturbulenzen Anfang August gewesen.
Am 5. August kam es zu einem Kurseinbruch an vielen Börsen, angeführt vom Absturz des japanischen Nikkei. Dieser erlebte mit einem Minus von 12% den zweitschlechtesten Handelstag seiner Geschichte. Gleichzeitig wertete der Dollar gegenüber dem Yen ab, was ein Problem für diejenigen Investoren wurde, die günstige Kredite in Yen aufnahmen, um mit dem Kapital in US-Aktien zu investieren. Die Turbulenzen waren jedoch nur von kurzer Dauer. So machte etwa der Nikkei seine Verluste am nächsten Handelstag fast wieder wett.
Schärfere Berichtspflichten
Die Ereignisse Anfang August sind für den IWF zudem ein Beispiel dafür, wie das Risiko für die Finanzstabilität durch Finanzinstitute steigt, die keine Banken sind. In der Fachsprache werden diese NBFI genannt. Dazu zählen beispielsweise Hedgefonds und Private Credit Fonds. Die rasche Auflösung von fremdfinanzierten Positionen kann laut IWF zu Liquiditätsungleichgewichten führen, die die Volatilität erhöhen. Ein Problem sei zudem, dass Aufsichtsbehörden eine zu schlechte Datenlage über die Aktivitäten der NBFI hätten, wodurch es für die Aufseher schwierig sei, große und konzentrierte Positionen festzustellen. Daher plädiert der IWF für schärfere Berichtspflichten für diese Institute.
Der verstärkte Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei NFBI könnte zudem deren Marktanteile in der Zukunft weiter erhöhen. Dies macht es für den IWF umso dringlicher, dass die Aufsichtsbehörden künftig eine bessere Datenlage bekommen. Ob der Einsatz von KI die Finanzstabilität erhöhen oder senken wird, ist für den IWF noch nicht ausgemacht. Neben neuen Risiken biete die Technologie auch Chancen für mehr Transparenz an den Märkten und eine verbesserte Aufsicht.
Zahlungsausfälle nehmen zu
Ein virulentes Risiko für die Finanzstabilität bleibt laut IWF die steigende Staatsverschuldung. Viele Staaten würde ihre Haushalte nicht ausreichend konsolidieren. Wie aus einem vorab veröffentlichten Kapitel des GFSR hervorgeht, droht die globale Staatsverschuldung ab 2031 die weltweite Wirtschaftsleistung zu übersteigen. Doch auch vor der hohen Verschuldung einiger Unternehmen warnt der IWF. „Auch wenn das globale Zinsniveau fällt, wird es für viele Firmen in den kommenden Jahren herausfordernd, ihre Kredite zurückzubezahlen.“ Die Anzahl der Zahlungsausfälle steige bereits. Die Zunahme von Handelsbarrieren durch geopolitische Spannungen verringere zudem die Solvenz vieler Unternehmen.
Doch nicht nur geopolitische Spannungen könnten das weltweite Wirtschaftswachstum in den kommenden Jahren ausbremsen. Die Wachstumsschwäche Chinas, einer der wichtigsten Handelspartner vieler Staaten – gerade von Entwicklungsländern – droht die globale wirtschaftliche Entwicklung negativ zu beeinflussen. Auch die Handelspolitik der USA könnte nach einem möglichen Wahlsieg des Republikaners Donald Trump das globale Wirtschaftswachstum reduzieren.
Inflationsgefahren bleiben
Nicht zuletzt ist auch die hohe Inflation laut IWF noch nicht endgültig besiegt. Es bestehe weiterhin die Gefahr, dass sich die Kerninflation etwa in den USA oder der Eurozone bei über 2% festsetzt. Den Notenbanken rät der IWF daher, in ihrer Kommunikation zu betonen, dass die Geldpolitik nicht von einzelnen Datenpunkten abhängt, sondern vom allgemeinen Inflationsausblick. Dort, wo der Ausblick im Einklang mit dem Inflationsziel steht, sollten sich die Notenbanken „graduell“ einer neutralen Geldpolitik näheren. Wo das nicht der Fall ist, sollten die Zentralbanken hingegen kommunikativ gegen zu hohen Markterwartungen an Zinssenkungen gegensteuern.