Robuster Arbeitsmarkt zeigt erste Risse
Robuster Arbeitsmarkt zeigt erste Risse
Zahl der Arbeitslosen steigt – Weniger offene Stellen – Nahles: Jobmarkt „behauptet sich gut“
Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im vergangenen Jahr gestiegen, meldet die Bundesagentur für Arbeit. Der Jobmarkt zeigt erste Risse. Experten erwarten für die kommenden Monate einen negativen Trend. Grund dafür ist die schwächelnde Konjunktur – und der demografische Wandel.
ast Frankfurt
Der robuste deutsche Arbeitsmarkt zeigt erste Risse. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im Dezember auf 2,637 Millionen Personen gestiegen. Das meldete die Bundesagentur für Arbeit (BA) bei der Vorstellung ihres Monats- und Jahresrückblicks am Mittwoch in Nürnberg. Die derzeit maue Konjunktur belastet damit auch den Jobmarkt. Allerdings zeige sich dieser „gemessen am Ausmaß der Belastungen und Unsicherheiten“ nach wie vor gut, bemühte sich die Vorstandsvorsitzende der BA, Andrea Nahles, um Optimismus.
Schwache Konjunktur belastet
Wie die Nürnberger Behörde mitteilte, legte die Zahl der Arbeitslosen – wie im Winter üblich – um 31.000 Personen zu. Es war allerdings der stärkste Anstieg in einem Dezember seit 2019. Auch die Arbeitslosenquote bewegte sich mit einem Plus von 0,1 Prozentpunkten leicht nach oben und liegt nun bei 5,7%. Das sind 0,3 Prozentpunkte mehr als im Dezember 2022. Eine Zunahme verzeichnete auch die Unterbeschäftigung, die neben der Arbeitslosigkeit auch Arbeitsmarktpolitik und kurzfristige Arbeitsunfähigkeit umfasst. Die stieg um 11.000 auf 3,484 Millionen Personen. Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar 2022 zeigen sich hier zunehmend Effekte der ukrainischen Geflüchteten. Ohne die Berücksichtigung der Geflüchteten hätte die Unterbeschäftigung nur 126.000 über dem Wert von Dezember 2022 gelegen. So war es ein Plus von 171.000 Personen.
Die BA stellte zudem auch ihren Rückblick für das vergangene Jahr vor. Hier verbuchten die Experten ein deutliches Plus bei der Arbeitslosenquote von 0,4 Prozentpunkten gegenüber dem Jahresdurchschnitt 2022. „Wenn wir auf das Jahr 2023 zurückblicken, sehen wir, dass die schwache Konjunktur nicht spurlos am Arbeitsmarkt vorübergegangen ist“, erklärte Nahles. Die BA-Vorsitzende verwies aber auch auf den historischen Trend: „Erwerbstätigkeit und Beschäftigung sind so hoch wie nie zuvor und auch 2023 zählt zu den Jahren mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung.“
Kaum Beschäftigungsplus
Doch in der Robustheit des deutschen Jobmarkts zeigen sich erste Risse. „Der starke Arbeitsmarkt war in den vergangenen Jahren ein wichtiger Faktor für die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft“, schreibt Carsten Brzeski, Global Head of Macro der ING, zu den von der BA präsentierten Daten. Allerdings habe er das vergangene Jahr„auf einer negativen Note“ beendet. Die Erwerbstätigkeit erreichte ein neues Rekordhoch, wie Destatis bereits am Dienstag meldete. Der Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung fiel aber zuletzt geringer aus als im Vorjahr – und ging ausschließlich auf ein Plus bei der Beschäftigung von Ausländern zurück.
Der Beschäftigungszuwachs konnte jedoch nicht verhindern, dass der Privatkonsum auch im Jahr 2023 schrumpfte. Das deutet ING-Ökonom Brzeski zufolge darauf hin, dass der Zuwachs auch im Niedriglohn- und Teilzeitsektor stattfand. Auch der demografische Wandel dürfte in den kommenden Jahren für einen nachlassenden Beschäftigungsaufbau sorgen. Die Generation der sogenannten Babyboomer, also die geburtenstarken Jahrgänge, verabschieden sich in den Ruhestand und hinterlassen eine Fachkräftelücke am Jobmarkt.
Reallöhne steigen
Zudem mahnte Brzeski, dass der Arbeitsmarkt „schon immer ein nachlaufender und kein vorlaufender Indikator war“. Mit Blick auf die kommenden Monate dürfte sich der Jobmarkt daher spürbar eintrüben. „Die Auswirkungen des laufenden Strukturwandels – sowie der schwächeren globalen und inländischen Nachfrage – werden sich erst allmählich auf den Arbeitsmarkt auswirken“, erklärte Brzeski. Das Reallohnwachstum dürfte aber 2024 positiv bleiben, denn die Lage wird sich nur allmählich verschlechtern. „Die nächste Herausforderung für den deutschen Arbeitsmarkt wird wahrscheinlich darin bestehen, die zunehmende Diskrepanz zwischen offenen Stellen und Arbeitssuchenden zu schließen“, prognostiziert der Ökonom. Die Arbeitskräftenachfrage hat zwar im Jahr 2023 laut BA spürbar nachgelassen. „Dennoch ist der Kräftebedarf im langjährigen Vergleich weiterhin hoch“, heißt es im Jahresrückblick. Zuletzt meldete die BA wieder mehr offene Stellen im Dezember.