Krieg in der Ukraine

Sanktionen werden weltweit massiv verschärft

Als Reaktion auf die Gräueltaten der russischen Armee in der Ukraine werden die Sanktionen gegen Russland weltweit verschärft. Eine neue Pipeline im Mittelmeer soll den Gasbezug zudem weiter diversifizieren.

Sanktionen werden weltweit massiv verschärft

Nach den diversen Sanktionskaskaden, welche die Bundesregierung und die EU-Kommission orchestriert und umgesetzt haben, und den Eindrücken von den Gräueltaten der russischen Armee, schließen sich auch die Reihen der Wirtschaft. Die deutsche Industrie unterstützt den Sanktionskurs der Bundesregierung und der Europäischen Union gegen Russland, betonte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Die Gräueltaten in Butscha verlangen nach einer entschiedenen, unmissverständlichen Reaktion des Westens.“ Ein vollständiges, europaweit abgestimmtes Embargo auf russische Kohle gehe über die von den Unternehmen bereits umgesetzte Reduzierung russischer Kohlelieferungen noch einmal deutlich hinaus. Die Umsetzung sei nicht einfach und habe ihren Preis, „aber die Entscheidung ist vor dem Hintergrund der Eskalation der Gewalt mehr als nachvollziehbar.“

Die EU-Kommission hatte einen Vorschlag für ein umfangreiches Paket mit neuen Russland-Sanktionen vorgestellt. Es beinhaltet nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unter anderem ein Importverbot für Kohle aus Russland, eine Hafensperre für russische Schiffe sowie weitere Handelsbeschränkungen. Ob die Sanktionen wie vorgeschlagen verhängt werden, müssen nun die 27 EU-Staaten entscheiden. Beim Importverbot für russische Kohle ist offen, ab wann es gelten soll. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte erklärt, bis zum Herbst könne Deutschland unabhängig von russischer Kohle sein.

Industriepräsident Russwurm sagte mit Blick auf Russland: „Es braucht zielgenaue und langfristig durchhaltbare Sanktionen, die den Aggressor stärker bestrafen als uns Europäer. Für Kohle trifft das zu: Sie lässt sich auf dem Weltmarkt durch Lieferungen aus anderen Ländern ersetzen und prinzipiell mit der vorhandenen Transport-Infrastruktur zu den Nutzern bringen.“ Die Bundesregierung müsse nun gemeinsam mit den europäischen Partnern dafür sorgen, die logistischen Herausforderungen, die sich durch den Verzicht auf russische Kohleimporte ergeben, ohne wirtschaftliche Schäden zu bewältigen.

Völlig anders sei die Situation beim Gas, so Russwurm: „Ein Komplettausfall russischer Gaslieferungen, die andere Lieferanten nicht kurzfristig ersetzen können, wäre ein gewaltiger Stresstest für die EU – mit unabsehbaren Folgen für Versorgungssicherheit, Wachstum, Beschäftigung und unsere politische Handlungsfähigkeit.“ Auch die Bundesregierung lehnt ein Embargo russischer Gasimporte ab und warnt vor schweren Schäden für die Wirtschaft.

Allerdings steigt der politische Druck auf die Bundesregierung, auch den Gasbezug mit in die Sanktionen einzubeziehen. EU-Ratspräsident Charles Michel rechnet nach eigenen Worten damit, dass auch Importe von Öl und Gas aus Russland in die Europäische Union eingeschränkt werden könnten. Die EU müsse so schnell wie möglich von russischer Energie unabhängig werden, sagte er im Europaparlament. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderte ebenfalls weitere Einschnitte. „Wir haben jetzt Kohle verboten, aber jetzt müssen wir uns Öl anschauen und auch die Einnahmen, die Russland mit den fossilen Brennstoffen erzielt“, sagte sie. Man müsse die Einnahmen Russlands aus fossilen Brennstoffen einschränken. „Das muss ein Ende haben.“

Neues G7-Sanktionspaket

Im Laufe des Mittwoch wollen die USA und ihre Verbündeten den Druck auf Russland zudem mit weiteren Sanktionen noch mal erhöhen. Wie die Sprecherin des US-Präsidialamtes, Jen Psaki, ankündigte, sollen jegliche neuen Investition in Russland verboten werden. Zudem würden bereits geltende Strafmaßnahmen gegen Banken und staatliche Unternehmen verschärft. Betroffen seien auch Regierungsvertreter und ihre Familien, die mit zusätzlichen Strafmaßnahmen belegt werden. Die Sanktionen verursachten Kosten für Russland und werde das Land, wirtschaftlich, finanziell und technologisch weiter isolieren. Zu Berichten, dass auch die Töchter von Präsident Wladimir Putin betroffen seien, wollte Psaki nicht kommentieren.

Die Verschärfung ist eine Reaktion auf den Tod Hunderter Zivilisten in dem Kiewer Vorort Butscha, für den die Ukraine und der Westen Russland verantwortlich macht. Russland weist den in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwurf von Kriegsverbrechen zurück und spricht von einer Fälschung zur Diskreditierung Russlands. Der Krieg in der Ukraine begann am 24. Februar. Russland hat sein Vorgehen zunächst als Spezialoperation zur Zerstörung militärischer Stützpunkte und Entnazifizierung des Landes bezeichnet. Nun wird in Moskau als Hauptziel die Eroberung der Ostukraine genannt.

Ifo: Nur sofortiger Gas-Import-Stopp sinnvoll

Auch Ifo-Präsident Clemens Fuest hat den Kurs der Bundesregierung mit Blick auf russische Gasimporte kritisiert. „Falls es überhaupt sinnvoll ist, Gasimporte aus Russland einzustellen, dann sofort“, schreibt Fuest in einem am Mittwoch veröffentlichten Aufsatz des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. „Ob wir 2024 diese Importe beenden wollen, wie die Bundesregierung jetzt plant, erscheint heute sehr zweifelhaft.“ Denn nach dem Ende des Ukraine-Krieges sei es klüger, wieder Gas aus Russland zu importieren – sowohl wegen der Kosten der Energieversorgung als auch strategisch, schrieb Fuest. Wenn die EU andere Bezugsquellen aufbaue, um Gasimporte aus Russland notfalls schnell und zu tragbaren Kosten unterbrechen zu können, würde aus der heutigen beidseitigen Abhängigkeit „eine Abhängigkeit Russlands von der EU“. Mit einem dauerhaften Ende der Gasimporte entfiele dagegen die Möglichkeit, auf Russland Druck auszuüben.

Gas-Pipeline im Mittelmeer

Angesichts des Ukraine-Kriegs denken Griechenland, Israel und Zypern wieder über ein zwischenzeitlich schon aufgegebenes Projekt für eine Gas-Pipeline durch das Mittelmeer nach. Die Außenminister der drei Mittelmeerländer kündigten am Dienstag nach einem Treffen in Athen neue Prüfungen an. Die 1900 Kilometer lange Pipeline EastMed (zu deutsch: Ost-Mittelmeer) würde Gas von Israel über Zypern nach Griechenland und damit in die Europäische Union leiten. Dann könnte es nach Mitteleuropa weitertransportiert werden.

Durch den Ukraine-Krieg ist die Abhängigkeit vieler mitteleuropäischer Staaten von russischem Gas besonders deutlich geworden. Deutschland hatte die mit Russland geplante Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 kurz zuvor schon gestoppt.

Israels Außenminister Jair Lapid sagte, die Themen Energie und Sicherheit seien von “kritischer Bedeutung”. Er lud auch die Türkei zur Mitwirkung ein. Ankara hatte wiederholt betont, ohne Zustimmung der Türkei werde es keine Pipeline im Mittelmeer geben. Zypern und Israel hatten in den vergangenen Jahren reiche Vorkommen an Erdgas unter dem Meeresboden entdeckt. Daraufhin begannen zusammen mit Griechenland die Planungen für eine Pipeline. Das Projekt wurde dann aber als zu teuer und unrentabel befunden.

Neuseeland weitetet Sanktionen aus

Auch Neuseelands Regierung weitet als Reaktion auf die Gräueltaten an Zivilisten in der Ukraine die Sanktionen gegen Russland aus. Unter anderem würden Einfuhrzölle in Höhe von 35% auf alle russischen Importe erhoben, teilte Außenministerin Nanaia Mahuta am Mittwoch mit. Zudem sollen die bereits bestehenden Exportverbote auf Produkte ausgedehnt werden, die eng mit strategischen russischen Industrien verbunden seien. „Die Bilder und Berichte über Gräueltaten an Zivilisten in Butscha und anderen Regionen der Ukraine sind abscheulich und verwerflich“, betonte die Ministerin.

Ministerpräsidentin Jacinda Ardern hatte bereits kurz nach dem Einmarsch Moskaus in die Ukraine erste Sanktionen verhängt, darunter gezielte Verbote von Einreisen russischer Regierungsbeamter sowie des Exports von Waren an das russische Militär. Vor einem Monat wurde das Land mit weiteren zielgerichteten Sanktionen belegt, die sich unter anderem gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, Mitglieder seiner Regierung, russische Oligarchen und hochrangige russische Militärführer richten.

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