Schanghai-Lockdown als konjunkturelle Feuertaufe
nh Schanghai
Mit dem ersten harten Lockdown in Chinas führender Wirtschaftskapitale Schanghai wird die Nulltoleranzpolitik der chinesischen Regierung in Sachen Corona einer Bewährungsprobe mit ungewissen konjunkturellen Folgen ausgesetzt. Seit Montag befindet sich die für ihre Wolkenkratzerkulisse bekannte Stadtseite Pudong in einem viertägigen harten Lockdown mit totaler Bewegungseinschränkung für die Anwohner und Stilllegung des Wirtschaftsbetriebs. Ausnahmen sind die wichtigsten Drehkreuze für Handel und Logistik wie der Flughafen Pudong und seine Cargo-Terminals, das Hafengebiet als seines Zeichens weltgrößter Containerumschlagplatz und die Börse Schanghai.
Im Gegensatz zu den bislang in China üblichen Lockdowns mit der Gesamtsperrung von Millionenstädten wird die Puxi genannte andere Hälfte des Stadtgebiets offen gehalten, bevor es dann am 1. April zu einem fliegenden Wechsel mit der Wiederöffnung von Pudong und Totalabsperrung von Puxi für dann ebenfalls vier Tage kommen soll. Die mit der Pekinger Regierung abgestimmte Lösung soll es ermöglichen, die 25 Millionen Einwohner durchzutesten und Coronafälle in Massenquarantäne-Einrichtungen auszulagern, ohne das Wirtschaftsleben völlig abzuwürgen. Zudem kündigte die Schanghai-Regierung ein auf 140 Mrd. Yuan (20 Mrd. Euro) beziffertes Unterstützungspaket für Lockdown-geschädigte Betriebe an.
Trotz der Abfederungsmaßnahmen auf Lokalebene gehen Ökonomen davon aus, dass der Schanghai-Lockdown selbst in seiner als wirtschaftsschonend erachteten gestaffelten Form eine erhebliche konjunkturelle Bremswirkung zeigen wird, die sich auch gesamtwirtschaftlich auswirkt. Einer Prognose der Chinese University of Hong Kong (CUHK) zufolge werden seit Märzbeginn veranlasste Restriktionen in Städten wie Changchun, Shenzhen und nun Schanghai für jeden Monat ihrer Dauer eine Einbuße von umgerechnet mindestens 42 Mrd. Euro oder 3,1% des chinesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) bedingen. Den CUHK-Ökonomen zufolge würde ein simultaner Lockdown der vier wichtigsten Metropolen Schanghai, Peking, Shenzhen und Guangzhou das landesweite BIP im jeweiligen Zeitabschnitt um 12% schmälern.
Die Überschlagsrechnung kann im Moment nur verdeutlichen, dass Chinas Herangehensweise zur Eindämmung der neuen Coronawelle einigen Einfluss auf die diesjährige Konjunkturperformance nehmen wird. Anfang März hatte die Regierung das diesjährige Wachstumsziel bei 5,5% abgesteckt, was im Zuge der aktuellen Corona-Problematik sowie des Unsicherheitsfaktors Ukraine-Krieg als sehr ambitiös gilt beziehungsweise erheblich gesteigerte Konjunkturstimuli erfordert. Die Konsensschätzung der China-Ökonomen ist bereits auf 5% Wachstum für 2022 zurückgekommen (siehe Grafik), und es dürfte nicht mehr lange dauern, bis sie zu einer BIP-Schätzung mit der 4 vor dem Komma tendieren.