So viele Pleiten wie seit der Finanzkrise nicht mehr
So viele Pleiten wie seit der Finanzkrise
nicht mehr
ba Frankfurt
Im Dezember ist die Zahl der Insolvenzen zwar stabil geblieben, für das vierte Quartal ergibt sich laut IWH Insolvenztrend allerdings der höchste Stand seit der globalen Finanzkrise. Ab Februar dürften die Pleitezahlen wieder zunehmen, erwartet IWH-Experte Steffen Müller mit Blick auf die vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erhobenen Frühindikatoren.
Die aktuellen Konjunkturprobleme und Kostensteigerungen bei Energie und Löhnen sind Müller zufolge nur teilweise für die hohen Insolvenzzahlen verantwortlich: „Jahrelang extrem niedrige Zinsen haben Insolvenzen verhindert, und während der Pandemie sind Insolvenzen aufgrund von Subventionen wie zum Beispiel dem Kurzarbeitergeld ausgefallen“, sagt Müller. Der Zinsanstieg und der Wegfall der Subventionen hätten ab 2022 Nachholeffekte bei Insolvenzen ausgelöst. Die hohen Insolvenzzahlen seien „schmerzhafte, aber notwendige Marktbereinigungen, die Platz für zukunftsfähige Unternehmen machen“.
Laut IWH war die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften praktisch unverändert bei 1.340. Zum Vorjahr ergibt sich ein Plus von 24%. Gegenüber dem Vor-Corona-Niveau der Jahre 2016 bis 2019 errechnen die Forscher einen Zuwachs von 54%. Kräftiger fällt der Anstieg bei den Beschäftigten aus: Von den 10% der größten im Dezember gemeldeten Insolvenzen waren mehr als 15.000 Jobs betroffen – mehr als ein Drittel über dem Vormonatsniveau und 59% über dem Vorjahreswert. Der typische Vor-Corona-Dezember wird um 71% übertroffen. Die Pleite des Wuppertaler Automobilzulieferers WKW mit mehr als 2.000 Mitarbeitern war dem IWH zufolge die beschäftigungsstärkste Insolvenz.
Anstieg bei den betroffenen Jobs geringer
Im vierten Quartal gingen 4.215 Personen- und Kapitalgesellschaften pleite, das waren 36% mehr als im Vorjahreszeitraum und so viele wie zuletzt zu Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise Mitte 2009. Höhere Werte in einem Schlussabschnitt gab es 2005. Die betroffenen knapp 38.000 Arbeitsplätze liegen um 17% über dem Vorjahresstand.
Dabei wurde in fast allen Branchen ein absoluter Höchststand seit Beginn der aufgeschlüsselten Zeitreihe 2020 verzeichnet. Nur im Grundstücks- und Wohnungswesen sowie dem Gastgewerbe wurde der Höhepunkt bereits im dritten Quartal erreicht. Die höchsten Anstiege verzeichneten die unternehmensnahen Dienstleistungen (47%) und das verarbeitende Gewerbe (32%). Unter den Bundesländern meldet Baden-Württemberg mit 65% den kräftigsten Anstieg im Jahresvergleich.