Arbeitslosigkeit steigt stärker als üblich

Sommerflaute trifft Jobmarkt

Im Juli ist die Arbeitslosigkeit stärker als üblich gestiegen – wegen der schwachen Konjunktur. Und auch die Kurzarbeit legt zu. Keine guten Nachrichten für den Konsum, auf dem die Wachstumshoffnungen ruhen.

Sommerflaute trifft Jobmarkt

Sommerflaute trifft Jobmarkt

Arbeitslosigkeit steigt stärker als üblich − Weniger offene Stellen

Im Juli ist die Arbeitslosigkeit stärker als üblich gestiegen − wegen der schwachen Konjunktur. Und auch die Kurzarbeit wird wohl zulegen. Frühbarometer signalisieren noch keine Besserung, und es sind weniger offene Stellen gemeldet. Keine guten Nachrichten für den Konsum, auf dem die Wachstumshoffnungen ruhen.

ba Frankfurt

Die Konjunkturflaute hat den deutschen Arbeitsmarkt zu Beginn der Sommerpause stärker getroffen als üblich. Damit setzt sich die Abkühlung des Jobmarktes fort, der Rückenwind für den privaten Konsum lässt weiter nach. Dabei ruhen die Wachstumshoffnungen der Ökonomen vor allem darauf, dass die Verbraucher ihre Geldbeutel weiter öffnen. Danach sieht es aber noch nicht aus: Trotz verbesserten Konsumklimas kommt die Anschaffungsneigung kaum voran, wie das jüngste GfK-Konsumklima zeigte. Nach dem überraschenden Schrumpfen der Wirtschaft um 0,1% im Frühjahr wird daher wohl auch das dritte Quartal eher mau ausfallen.

Die 2,809 Millionen im Juli bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) registrierten Arbeitslosen bedeuten einen Anstieg um 82.000 zum Vormonat. Binnen Jahresfrist ergibt sich ein Zuwachs von 192.000. In den vergangenen 20 Jahren gab es nur einmal ein noch kräftigeres Plus in einem Juli, und zwar 2022, also zu Corona-Zeiten. „Die schwache Wirtschaftsentwicklung belastet den Arbeitsmarkt“, erklärt Daniel Terzenbach, bei der BA Vorstand Regionen. Um jahreszeitliche Schwankungen bereinigt hat die Arbeitslosigkeit um 18.000 gegenüber Juni zugenommen, die Arbeitslosenquote verharrte bei 6,0%.

Immer noch gut im Euro-Vergleich

Die Arbeitslosenquote kletterte um 0,2 Prozentpunkte auf 6,0%. Auch die nach dem ILO-Erwerbskonzept ermittelte Erwerbslosenquote legte zu, und zwar um 0,1 Punkte auf 3,4% im Juni. Damit hat Deutschland im Vergleich zu den anderen Euro-Ländern aber immer noch eine der niedrigsten Quoten − im Mai lag der Schnitt der 20 Euro-Länder bei 6,4%. Ökonomen erwarten, dass es im Juni bei dieser Quote bleiben wird. Das Statistikamt Eurostat legt die neuen Daten an diesem Donnerstag vor.

Weniger offene Stellen

Umfragen zeigen, dass Besserung noch nicht in Sicht ist: Das Ifo-Beschäftigungsbarometer etwa sank im Juli um 0,5 auf 95,4 Punkte und zeigt damit, dass die Unternehmen zurückhaltender bei ihrer Personalplanung sind. Die Zahl der bei der BA gemeldeten offenen Stellen gab saisonbereinigt um 8.000 zum Vormonat nach. Binnen Jahresfrist ergibt sich ein Rückgang um 69.000 auf 703.000 Arbeitsstellen. „Aufgrund der stagnierenden Wirtschaftsentwicklung sinkt die Bereitschaft, neue Mitarbeiter einzustellen“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen. „Wo Aufträge fehlen, wird auch kein zusätzliches Personal gebraucht.“ Derzeit klagen mehr als 40% der Industriebetriebe über Auftragsmangel.

Kurzarbeit könnte wieder steigen

Dennoch versuchen Unternehmen angesichts des Fachkräftemangels, ihr Personal auch in einer Schwächephase zu halten. Dies zeigt sich in der Zunahme der Anzeigen von Kurzarbeit: Nach aktuellen Daten wurde vom 1. bis einschließlich 25. Juli für 58.000 Personen konjunkturelle Kurzarbeit angezeigt. Dies ist „ein gutes Drittel mehr als zum vergleichbaren Zeitpunkt im Vormonat“, hieß es bei der Nürnberger Behörde. Die tatsächliche Inanspruchnahme von konjunkturellem Kurzarbeitergeld ist nach Hochrechnungen der BA aber wieder zurückgegangen auf 211.000 im Mai, nach 226.000 im April und 213.000 im März.

Neuer Rekord bei sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung

Weiter bergauf ging es bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Der Anstieg um 179.000 auf 34,91 Millionen binnen Jahresfrist beruht allerdings allein auf ausländischen Staatsangehörigen, wie die BA betont. Dies sei zwar ein neuer Rekordwert, doch verlangsame sich der Beschäftigungsaufwuchs tendenziell, mahnte Marc Schattenberg, von der Deutschen Bank. Dass selbst dieser Beschäftigungszuwachs nicht ausreichte, um zu verhindern, dass der private Verbrauch 2023 schrumpfte und auch im ersten Halbjahr noch schwach blieb, deutet darauf hin, „dass der Beschäftigungszuwachs hauptsächlich in Teilzeit- und Niedriglohnjobs stattfand“, analysiert ING-Chefökonom Carsten Brzeski.

Ausbildungsmarkt noch in Bewegung

KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib betonte mit Blick auf die Daten, dass es umso wichtiger sei, „die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, den Produktivitätsfortschritt zu steigern und die Erwerbstätigkeit zu erhöhen“.  Wenn Unternehmen und erwerbsfähige Bevölkerung mitziehen würden, könne die Wachstumsinitiative der Bundesregierung hier spürbare Impulse geben. Das sei mit Blick auf den Fachkräftemangel weiter dringend nötig. Besonders ausgeprägt seien die Engpässe in Berufen, für die eine betriebliche Ausbildung erforderlich ist − der BA gelten mittlerweile rund 40% als Engpassberufe, ein zusätzliches Drittel stehe wegen Anzeichen für Engpässe unter Beobachtung. Der Ausbildungsmarkt ist im Juli noch in Bewegung, berichtet die BA: Von den 402.000 Bewerbern für eine Ausbildungsstelle, die sich von Oktober 2023 bis Juli 2024 bei der BA gemeldet hatten, haben 121.000 bislang weder einen Ausbildungsplatz noch eine Alternative gefunden. Zugleich waren von den 492.000 gemeldeten Ausbildungsstellen 204.000 noch unbesetzt.

Mehr Geld für Azubis

Laut aktueller Auswertung des WSI-Tarifarchivs ist die tarifvertragliche Ausbildungsvergütung je nach Branche, Region und Ausbildungsjahr sehr unterschiedlich: Die Spannbreite reicht von 710 Euro pro Monat im Friseurhandwerk von Nordrhein-Westfalen im ersten Ausbildungsjahr bis zu 1.650 Euro im vierten Jahr im westdeutschen Bauhauptgewerbe. Auch im Ausbildungsjahr 2023/2024 habe sich der Trend der vergangenen fünf Jahre fortgesetzt, dass die Ausbildungsvergütungen deutlich stärker als die Löhne mit etwa 15% im Schnitt ansteigen. „Tarifbranchen, in denen weniger als 1.000 Euro im Monat gezahlt wird, werden angesichts des bestehenden Fachkräftemangels immer weniger“, sagt Thorsten Schulten, Leiter des WSI-Tarifarchivs.

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