Sorgen um Industriestandort Deutschland nehmen zu
Sorgen um Industriestandort Deutschland nehmen zu
Ökonomen schreiben Erholung in diesem Jahr ab und sind pessimistischer für 2024
mpi Frankfurt
Die überraschend stark gesunkene Industrieproduktion in Deutschland reiht sich ein in eine Vielzahl an enttäuschenden Konjunkturdaten und verstärkt die Sorgen um einen kräftigeren und länger anhaltenden Wirtschaftsabschwung hierzulande. Die Gesamtproduktion der Industrie war im Juli um 0,8% im Vergleich zum Juni gesunken, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Ökonomen hatten einen schwächeren Rückgang um 0,4% oder 0,5% prognostiziert.
Die Industrie ist eines der Sorgenkinder der Konjunktur. Doch auch der private Konsum leidet unter der hohen Inflation, sodass er derzeit keine Wachstumsimpulse geben kann. Zudem schwächelt der für die deutsche Wirtschaft wichtige Export.
Aufgrund dieser Gemengelage haben gleich mehrere führende Wirtschaftsforschungsinstitute am Donnerstag ihre Konjunkturprognosen für Deutschland gesenkt und eine Erholung in diesem Jahr endgültig ad acta gelegt. Das Ifo-Institut rechnet nun damit, dass die deutsche Wirtschaftsleistung 2023 um 0,4% schrumpft. Das IWH Halle, das Hamburger HWWI und das RWI Essen sind noch pessimistischer und erwarten einen Rückgang von 0,5% bzw. 0,6%. „Anders als bislang erwartet, dürfte die Erholung in der zweiten Jahreshälfte ausbleiben. Die Abkühlung setzt sich fort, in nahezu allen Branchen steht die Tendenz auf Flaute“, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser anlässlich der Vorlage der neuen Prognose.
Ist Deutschland der „kranke Mann Europas“?
Auch auf das kommende Jahr blicken die Wirtschaftsforschungsinstitute nun pessimistischer. Allerdings erwarten alle vier Institute bis dahin wieder Wirtschaftswachstum. Die Spanne der Prognosen liegt zwischen 0,9% und 1,4%. Die Vorhersagen fallen damit deutlich niedriger aus als bisher. Am stärksten fiel die Anpassung beim RWI aus, das nun von 1,1% statt 2,0% ausgeht.
2022 könnte Deutschland das einzige G7-Land sein, dessen Wirtschaft schrumpft. Die Kritik von einigen Ökonomen, Deutschland sei der „kranke Mann Europas“, lehnte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Donnerstag ab. „Wir haben Probleme – Probleme, die ursächlich mit der geopolitischen Situation und mit hausgemachten Problemen zusammenhängen. Das heißt aber nicht, dass alles schlecht ist. Wir sind ein starker Standort.“
Um die Lage der energieintensiven Unternehmen zu verbessern, riefen die 16 Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag in seltener Eintracht nach einem Brückenstrompreis. Dieser sei notwendig, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Firmen zu stärken.