Spanien verliert eine Million Jobs

Krise im Tourismusgeschäft durch Pandemie führt zu Anstieg der Arbeitslosigkeit im Frühjahrsquartal

Spanien verliert eine Million Jobs

Die Corona-Krise trifft Spanien härter als die meisten anderen europäischen Länder wegen des hohen Gewichts der Reisebranche. Die Erwerbslosenquote stieg von April bis Juni auf 15,3 %. Für Bestürzung sorgt die Quarantäneauflage für Touristen aus Großbritannien, dem wichtigsten Markt der Spanier.ths Madrid – Die Monate von April bis Juni sind in Spanien normalerweise ein Segen für den Arbeitsmarkt. Die Hauptsaison im so wichtigen Tourismusgeschäft beginnt, die Bauwirtschaft wird aktiver, und in der Landwirtschaft stehen mehrere Großernten an. In der Regel entstehen so im Frühjahr Hunderttausende neue Jobs, von denen eine Vielzahl freilich nur temporärer Art ist.Doch die Corona-Pandemie hat alles auf den Kopf gestellt. Im zweiten Quartal wurden in Spanien rund 1,1 Millionen Arbeitsplätze gestrichen, wie die vierteljährliche Erhebung EPA des Nationalen Statistikamts INE ergab (siehe Grafik). Alle Wirtschaftszweige bauten im Vorjahresvergleich Jobs ab, doch besonders hart traf es den Dienstleistungsbereich und hier vor allem das Gastgewerbe. Der Branche droht nun ein desaströser Sommer, nachdem die britische Regierung für Spanien-Rückkehrer eine vierzehntägige Quarantänepflicht verhängt hat und andere Länder Reisewarnungen ausgesprochen haben.Zwei Drittel der abgebauten Stellen im zweiten Quartal entfielen auf Zeitverträge. Die Zahl der Erwerbslosen stieg nach Berechnungen der EPA um 55 000 auf nun 3,37 Millionen, was einer Quote von 15,3 % entspricht. Doch das ist ein statistischer Effekt. Denn die mehr als eine Million Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren, konnten wegen der Einschränkungen durch die Coronakrise nicht auf die Suche nach einem neuen Job gehen und gelten daher nach Kriterien von Eurostat als “inaktiv”. Die Arbeitslosenquote dürfte daher in diesem Quartal weiter steigen, wenn diese Gruppe wieder als aktiv suchend eingestuft wird. Reisewarnung wiegt schwerAußerdem waren von April bis März 3,4 Millionen Personen in Kurzarbeit (ERTE), deren Anwendung von der Regierung nach Ausbruch der Krise erheblich gelockert wurde. Gewerkschaften und Arbeitgeber dringen derzeit darauf, dass diese Sondermaßnahme über das geplante Ende im September hinaus verlängert wird, vor allem vor der Perspektive einer zweiten Infektionswelle.Die Aussichten für Spaniens Wirtschaft sind trübe. Die EU-Kommission rechnet für 2020 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 11 %. Das liegt auch am großen Gewicht des Tourismus, der nach den Besucherrekorden der vergangenen Jahre zuletzt 12 % der Wirtschaftsleistung ausmachte.Als die europäischen Staaten nach der Pandemie im Juli ihre Grenzen wieder öffneten, hoffte Spaniens Gastgewerbe noch auf eine Schadensbegrenzung durch das Sommergeschäft. Die von London verhängte Quarantäne für Spanien-Urlauber hat dies zunichte gemacht, denn die Briten stellen mit 18 Millionen Besuchern 2019 die wichtigste Kundschaft, vor Deutschen und Franzosen mit je 11 Millionen Touristen.Madrid wurde von der Entscheidung der Regierung von Boris Johnson am Wochenende völlig überrascht – selbst der britische Transportminister Grant Shapps wurde von der Quarantäneauflage im Spanien-Urlaub erwischt. “Das sind unangemessene Entscheidungen”, kritisierte Ministerpräsident Pedro Sánchez. “In vielen Regionen Spaniens liegen die Infektionszahlen unter dem europäischen Durchschnitt und unterhalb des Durchschnitts in Großbritannien”, so der Regierungschef. Bislang versuchte Madrid vergeblich, eine Ausnahme der Regel zumindest für die Inselregionen der Kanaren und Balearen zu erreichen.In Spanien fürchtet man nun eine Kettenreaktion. Norwegen und Belgien haben Reisewarnungen für Spanien ausgesprochen, Frankreich rät von Fahrten nach Katalonien ab, wie auch das Bundesaußenministerium, welches noch die benachbarten Regionen Aragon und Navarra hinzufügt. “Wir stehen vor einem nationalen Notstand”, erklärte der Dachverband der Arbeitgeber CEOE. “Der Tourismus hat eine Zugwirkung auf andere Industriezweige. Wenn sich die Situation verschlechtert, könnte dies die bereits dramatischen Zahlen der Beschäftigung und Arbeitslosigkeit, die die EPA aufzeigt, weiter verschärfen”, warnte die CEOE.