Auftragseingang stärker als erwartet

Stabilisierungszeichen in der Industrie

Das unerwartet kräftige Auftragsplus im Dezember bringt der krisengeplagten deutschen Industrie doch noch einen etwas versöhnlicheren Jahresausklang. Eine Trendwende zeichnet sich allerdings weiterhin nicht ab.

Stabilisierungszeichen in der Industrie

Stabilisierungszeichen in der Industrie

Unerwartet viele Bestellungen − Großaufträge verzerren − Deutlich größere Inlandsnachfrage − Damoklesschwert US-Zölle

ba Frankfurt

Das Jahr 2024 endet für die krisengeplagte deutsche Industrie mit einem unerwartet kräftigen Auftragsplus: Zwar verzerren erneut Großaufträge das Bild, doch auch die Kerngröße hat ebenso zugelegt wie die inländische Nachfrage. Ökonomen werten die Auftragseingänge als versöhnlichen Jahresabschluss, der allerdings noch keine wirkliche Trendwende einläutet.

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) hat das verarbeitende Gewerbe im Dezember preis-, saison- und kalenderbereinigt 6,9% mehr Neubestellungen eingesammelt als im Vormonat. Ökonomen hatten nach dem Rückgang von revidiert 5,2 (zunächst 5,4)% zwar mit einer Gegenbewegung gerechnet, den Zuwachs allerdings nur auf 2,0% taxiert. Im weniger volatilen Dreimonatsvergleich zeigte sich das Orderaufkommen im vierten Quartal unverändert zum Vorquartal, während sich ohne Großaufträge ein Anstieg von 1,4% ergibt.

Plus auch bei Pharma und Chemie

Das Bestellplus im Dezember basiert abermals vor allem auf den volatil ausfallenden Großaufträgen, die eher zeitverzögert abgearbeitet werden und daher kaum kurzfristige Auswirkungen auf die Produktion haben: Bleiben sie unberücksichtigt, ergibt sich aber immer noch ein Zuwachs von 2,2%. Die Großaufträge zeigen sich vor allem im Bereich sonstiger Fahrzeugbau, zu dem Flugzeuge, Schiffe, Züge und Militärfahrzeuge zählen. Hier melden die Wiesbadener Statistiker ein Plus von 55,5% − im November hatte sich noch ein Rückgang von 57,7% ergeben. Ordentliche Zuwächse gab es auch in den Bereichen pharmazeutische Erzeugnisse (9,6%), Maschinenbau (8,6%) oder der energieintensiven chemischen Industrie (4,8%). Die gewichtige Automobilindustrie hingegen erhielt 3,2% weniger Bestellungen als im November.

Euroraum bestellt fleißig

Die Großaufträge aus dem Bereich des sonstigen Fahrzeugbaus sorgten denn auch für das Plus von 14,6% der inländischen Bestellungen. Die Auslandsaufträge legten um 1,4% zu, wobei die Nachfrage aus den Ländern des Euroraums um 6,2% stieg. Aus den Ländern außerhalb des gemeinsamen Währungsraums gingen allerdings 1,5% weniger Order ein.

Hoffnung auf Bodenbildung

„Alles in allem machen die heutigen Zahlen zumindest etwas Hoffnung, dass die deutsche Industrie bald den konjunkturellen Tiefpunkt durchschritten hat“, analysiert Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. Dies würde dazu beitragen, dass auch die deutsche Wirtschaft ab dem Frühjahr wieder etwas zulegen werde. „Angesichts einer vermutlich weiterhin schwachen Nachfrage im weiter sehr wichtigen Auslandsmarkt China und der strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft wird diese Aufwärtsbewegung allerdings wohl nur sehr verhalten sein.“

Von einer Trendwende will auch das Bundeswirtschaftsministerium noch nicht sprechen: „Dafür sprechen auch die Stimmungsindikatoren von Ifo und S&P Global, die für das Geschäftsklima in den Firmen weiterhin ein niedriges Niveau anzeigen.“ Zudem komme „der wirkliche Test für die deutsche Industrie jetzt mit dem Beginn des erwarteten Handelskonflikts mit den USA“, betont Jens-Oliver Niklasch von der LBBW. US-Präsident Donald Trump droht der EU mit hohen Zöllen, so wie er sie schon auf Waren aus China, Kanada und Mexiko verhängt, teils aber direkt wieder ausgesetzt hatte.

Bergab im ersten Halbjahr

Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, findet tröstlich, „dass sich eine Bodenbildung bei den Auftragseingängen nach einem dreijährigen Abwärtstrend feststellen lässt“. Der Gesamtblick auf das zurückliegende Jahr allerdings sei ernüchternd, da es zu keinem Trendwechsel gekommen sei. 2024 fielen die Auftragseingänge um 3,0% niedriger aus als 2023.

Dabei hatte sich in der ersten Jahreshälfte der seit dem Jahr 2021 zu beobachtende Abwärtstrend fortgesetzt, während in der zweiten Jahreshälfte eine Stabilisierung ersichtlich war. Dass die Industrie im zweiten Halbjahr vor allem durch steigende Aufträge aus dem Ausland gestützt wurde, könnte durchaus auch an „vorgezogenen Bestellungen in Erwartung möglicher neuer Handelsbarrieren durch die Trump-Regierung“ liegen, ergänzt Michael Herzum von Union Investment.

Ähnlich fiel auch die Entwicklung bei den Umsätzen aus: 2024 war der reale Umsatz kalenderbereinigt um 4,0% niedriger als im Vorjahr. „Auch hier war der Umsatz in der ersten Jahreshälfte überwiegend rückläufig, während sich in der zweiten Jahreshälfte eine Tendenz zur Stabilisierung abzeichnete“, erklärten die Statistiker. Im Dezember sanken die Erlöse preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,1% zum Vormonat, nachdem sie im November noch um 1,4% zugelegt hatten. Im Jahresvergleich ergibt sich ein 3,9% niedrigeres Niveau.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.