China

Stimmungskiller

Chinas Einkaufsmanagerindizes sacken auf selten gesehene Niveaus ab. Das rüttelt am Gerüst der Nulltoleranzpolitik.

Stimmungskiller

Chinas offizielle Einkaufs­managerindizes für März wecken unangenehme Reminiszenzen. Bei Industrieaktivität wie Dienstleistungen liegt das Stimmungsbarometer nun un­terhalb der 50-Punkte-Marke und damit im „Schrumpfungsterritorium“. Das kommt höchst selten vor und war zuletzt im Februar 2020 der Fall, auf dem Höhepunkt der ersten Coronawelle in China mit dem Wuhan-Inferno. Damals erlebte China einen dramatischen Konjunkturschock mit einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im um fast 7%, machte diesen aber mit der Rückkehr zum Wachstum im Folgequartal rasch vergessen.

Möglich war die spontane Erholung nur, weil China der Epidemie-Ausbreitung mit so harten Lockdown-Maßnahmen und Schutzvorkehrungen zu begegnen wusste, dass das heimische Wirtschaftsleben in der Folge kaum noch von Corona gebremst wurde. Die Erfolgsgeschichte prägt weiterhin die Überzeugung der Pekinger Führung, dass es den „chinesischen Weg“ der Pandemiebekämpfung gibt, der im Gegensatz zu „westlichen M­ethoden“ nicht nur Schaden von der Bevölkerung, sondern auch der Wirtschaft fernhält.

Durch die Dominanz der neuen Virusvarianten wird mittlerweile epidemiologisch eine völlig andere Partie gespielt, Chinas Erfolgsrezept aber ist dasselbe geblieben. Wo immer neue Fälle auftreten, greifen spontane Lockdowns und es wird landesweiter Alarm geschlagen. Das löst nicht nur Mobilitätsrestriktionen und Präventionsmaßnahmen aus, sondern beeinträchtigt auch das Wirtschaftsvertrauen in einer nationalen Dimension. Nun hat die Lockdown-Taktik ihren Weg nach Schanghai als Chinas führendem Handels- und Finanzzentrum gefunden. Sie erstickt nicht nur dort das Gros der Wirtschaftsaktivität, sondern hält praktisch ganz China in Atem.

Welchen Reim sollen sich Ökonomen darauf machen? Chinas Staatsrat hat bekräftigt, dass die Nulltoleranzpolitik zu Corona die richtige Vorgehensweise sei, die Konjunktur dennoch mit „geeigneten Maßnahmen“ stabilisiert werde und man ergo am BIP-Wachstumsziel für 2022 bei 5,5% festhalten könne. Gleichzeitig wird der Behördenapparat dazu aufgefordert, „Maßnahmen zu vermeiden, die den Markterwartungen schaden“, sprich: die Wirtschaftsstimmung negativ beeinflussen. Die neuen Einkaufsmanagerdaten zeigen, dass dieser Teil der Mission bisher nicht gelungen ist. Um das zu ändern, müsste man jedoch genau jene Maßnahmen vermeiden, die das Grundgerüst der Nulltoleranzpolitik sind. Allein dieses Paradox ist ein Stimmungskiller.

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