Strukturelle Standortschwächen bremsen das Wachstum
Strukturelle Schwächen bremsen Wachstum
Aufschwung verzögert sich um ein weiteres Jahr – Forderungen nach weiteren Reformpaketen der Bundesregierung
Die Bundesregierung erwartet 2025 wieder Wachstum. Aus der Wirtschaft kommen dennoch Forderungen nach weiteren politischen Maßnahmen, insbesondere in der Steuer- und Energiepolitik. Eine Ausweitung der Wachstumsinitiative hält auch Wirtschaftsminister Robert Habeck für wünschenswert.
ahe Berlin
Ein höherer privater Konsum, wieder anziehende Exporte und die positiven Wirkungen der im Sommer vorgelegten Wachstumsinitiative werden nach Einschätzung der Bundesregierung 2025 die zweijährige Rezession beenden. Laut der neuen Herbstprojektion wird das deutsche Bruttoinlandprodukt (BIP) im nächsten Jahr um 1,1% und 2026 dann um 1,6% steigen. Nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schlagen mittlerweile zunehmend strukturelle Standortprobleme durch, die in den vergangenen rund 15 Jahren entstanden sind. Er räumte ein, dass auch das politische Umfeld derzeit keinen klaren Kompass für Unternehmen und private Haushalte biete – warnte zugleich aber davor, den Standort schlecht zu reden.
Die Bundesregierung setzt das Wachstum in den nächsten zwei Jahren jeweils um 0,3 Prozentpunkte höher an als die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer Ende September veröffentlichten Gemeinschaftsdiagnose. Habeck begründete die Abweichungen mit den Effekten der Wachstumsinitiative, die derzeit schrittweise umgesetzt wird, und die eigentlich sogar einen positiven BIP-Effekt von 0,5 Prozentpunkte haben sollte. Der Grünen-Politiker bezeichnete eine Ausweitung der Wachstumsinitiative als „wünschenswert“, aufgrund des Widerstands in den Bundesländern aber als nicht sehr wahrscheinlich. Er schlug aber zusätzliche Impulse für die Wirtschaft vor, zu denen eine „deutliche und verlässliche Senkung der Netzentgelte“ gehört sowie im Zuge eines weiteren Bürokratieabbaus auch effektivere Datenschutzregeln.
Habeck wehrt sich gegen Kritik
Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) forderte am Mittwoch weitere umfassende Reformpakete zur Ankurbelung von Investitionen. „Ohne Investitionen kann Deutschland auf Dauer kein erfolgreiches Industrieland sein“, warnte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Er schlug eine investitionsfreundliche Unternehmensteuerreform und die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlages vor. Um Belastungen in der Energiepolitik abzubauen, dürften zudem das Energieeffizienzgesetz und das Gebäudeenergiegesetz in der vorliegenden Form nicht beschlossen werden.
Der Verband der Familienunternehmen äußerte sich in eine ähnliche Richtung: Die drei wichtigsten wirtschaftspolitischen Aufgaben sind laut Präsidentin Marie-Christine Ostermann, die Unternehmenssteuern zu senken, die Energiepolitik marktwirtschaftlich zu gestalten und die Sozialversicherungen demografiefest zu reformieren. „Nur so lässt sich der rasante Absturz der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland stoppen.“
Schon seit über 20 Jahren im Schnitt schwaches Wachstum
Habeck verwies dagegen darauf, dass die Ampel bereits eine Reihe an strukturellen Problemen angepackt habe – von der Sicherung der Energieversorgung über Verfahrensbeschleunigungen, einem Bürokratieabbau bis zu Maßnahmen gegen Arbeits- und Fachkräftemangel. Er verwies darauf, dass es in Deutschland seit dem Jahr 2000 im Schnitt nur ein Wachstum von rund 1% im Jahr gegeben habe. Fragen nach einer persönlichen Verantwortung für die schlechte Lage der Wirtschaft beantwortete er bei der Vorlage der Herbstdiagnose nicht.
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Julia Klöckner, kritisierte, die einseitig lenkende Wirtschaftspolitik der Ampel gegen jeden Rat von Praktikern aus der Wirtschaft und Wissenschaft sei gescheitert.