Taktische Zurückhaltung
Chinas Bruttoinlandsprodukt ist im dritten Quartal mit 4,9% Wachstum für chinesische Verhältnisse nur schleppend vorangekommen. Die Sache mit der rauschhaften Erholung vom coronabedingten Konjunkturschock – das war einmal. Ökonomen hatten zwar prognostiziert, dass die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2021 auf eine Holperstrecke gerät, die eine Temporücknahme bedingt, nun ist aber noch eine ganze Reihe von Hindernissen hinzugekommen.
In der ersten Jahreshälfte hat die verführerische Optik der Basiseffekte nach dem Coronaschock von 2020 eine Wachstumsrate von 12,7% gebracht. Damit wurde der Blick dafür verstellt, dass Chinas Wirtschaft – trotz zunächst rascher und imposanter Erholung – bereits wieder in den vor Ausbruch der Pandemie herrschenden Entschleunigungsmodus zurückgekehrt war. Damals, im vierten Quartal 2019, kam man auf für China als mager, aber gerade noch vertretbar geltende 6%.
Für das jetzt angebrochene Schlussquartal 2021 gilt eine 5 vor dem Komma als das höchste der Gefühle und ist auch nur dann zu erreichen, wenn sich etwa die Rohstoff- und Erzeugerpreishausse rascher als erwartet legt und zudem das Schreckgespenst für den Immobilienmarkt in Gestalt des pleitegefährdeten Wohnungsbauriesen Evergrande überzeugend verscheucht werden kann. Das wahrscheinlichere Basisszenario aber ist, dass das Wachstumstempo auch im vierten Quartal abbröckelt.
Darf man nun erwarten, dass Peking aufgeschreckt die Stimulierungsmaschinerie anwirft? Mit Sicherheit nicht, zumindest erst mal nicht. Chinas Wirtschaftsplaner haben für das vor Basiseffekten nur so strotzende Jahr 2021 mit einem offiziellen Wachstumsziel von 6% eine denkbar niedrige Marke gesetzt und sich damit präventiv aus der Schusslinie genommen. Selbst wenn es im vierten Quartal noch schlechter als erwartet läuft, ist für das Gesamtjahr ein Wachstum nahe 8% quasi garantiert.
Danach freilich wird es spannend bei der Frage, ob die Regierung wie zuletzt eher auf Finanzstabilität denn auf Wachstumsförderung setzt. Das würde nämlich heißen, sich auch künftig mit historisch niedrigen Wachstumszielen von um die 5% zufriedenzugeben. Zunächst aber gilt es, sich taktisch klug zu verhalten. Mit einem niedrigen BIP-Ausweis in diesem Jahr wird auch die Latte für das nächste Jahr niedriger gelegt. Je mehr sich Peking gegenwärtig noch mit Stimuli zurückhält, desto leichter wird es dann, eine einigermaßen stattliche Wachstumsvorgabe für 2022 zu erfüllen.