Deutschland

Tröstlicher Jahres­­schluss für Industrie

Rutscht die deutsche Wirtschaft im Winterhalbjahr in die Rezession oder nicht? Diese Frage bewegt aktuell die Gemüter. Neue Daten aus der deutschen Industrie nähren nun zumindest ein wenig Zuversicht.

Tröstlicher Jahres­­schluss für Industrie

ms Frankfurt

Die deutsche Indus­trie hat ein insgesamt sehr schwieriges Jahr 2022 mit einem überraschend deutlichen Auftragsplus abgeschlossen. Das nährt die Hoffnung, dass die Industrie und die deutsche Wirtschaft insgesamt besser durch das Winterhalbjahr kommen als noch vor wenigen Wochen befürchtet und eine mögliche Rezession allenfalls milde ausfällt. Für allzu großen Optimismus besteht aber auch wenig Grund. Auch die Auftragszahlen sind zumindest ein wenig zu relativieren. Die Aussichten bleiben also eher gedämpft.

Zwischen Hoffen und Bangen

Die deutsche Wirtschaft ist im Schlussquartal 2022 um 0,2% geschrumpft. Das bedeutete eine negative Überraschung gegenüber der nach vorläufigen Zahlen für das Gesamtjahr 2022 aufgekommenen Hoffnung, dass sie statt zu schrumpfen zumindest nur stagniert hat. Gleichzeitig stellt es aber ein sehr viel geringeres Minus dar, als noch davor verbreitet erwartet wurde. Auch andere Konjunkturdaten haben zuletzt zumindest hoffen lassen, dass eine Rezession allenfalls kurz und milde sein wird. Zugleich gibt es aber immer noch auch Sorgen vor einem schwereren Einbruch.

Die neuen Auftragsdaten stärken nun tendenziell eher die Zuversicht. Die Aufträge der deutschen Indus­trie stiegen im Dezember wegen der verbesserten Nachfrage aus dem Inland und der Eurozone so stark wie seit mehr als einem Jahr nicht. Die Bestellungen legten um 3,2% zum Vormonat zu, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem Plus von 2,0% gerechnet. Zudem fiel der Einbruch im November mit revidiert −4,4% (bisher: −5,3%) nicht ganz so stark aus wie zunächst angenommen.

„Die Nachfrage beim verarbeitenden Gewerbe hat sich zum Jahres­ende 2022 wieder etwas stabilisiert“, schrieb das Bundeswirtschaftsministerium zu den neuen Zahlen. Das Gesamtjahr 2022 war für die Indus­trie aus Nachfragesicht schwach: Der Auftragseingang sei bis auf wenige Ausnahmen kontinuierlich gesunken und habe im Dezember 10,1% niedriger gelegen als ein Jahr zuvor, führten die Wiesbadener Statistiker aus. Dank des starken Jahres 2021 befinde sich der Auftragseingang unter dem Strich aber leicht über dem Vor-Corona-Niveau. Das geringe Minus im Dezember deute nun ebenso wie das verbesserte Geschäftsklima darauf hin, „dass die wirtschaftliche Abschwächung im Winterhalbjahr milder ausfallen dürfte“, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium.

Nach Einschätzung von Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, stellt das Auftragsplus im Dezember aber vor allem „eine Gegenbewegung zum Einbruch im November dar“. Zudem geht das Plus im Dezember vor allem auf Großaufträge zurück, die in aller Regel schwankungsanfällig sind. Ohne diese Komponente wären die Gesamtbestellungen nicht gestiegen, sondern um 0,6% gefallen. „Der aktuelle Zuwachs des Auftragseingangs ist somit maßgeblich auf Großaufträge zurückzuführen“, erklärte Destatis.

„Der Trend weist bei den Auftragseingängen weiter klar nach unten“, warnte Commerzbank-Chefökonom Krämer vor zu viel Optimismus. „Das dürfte in den kommenden Monaten zunehmend auf die bislang recht stabile Industrieproduktion durchschlagen.“ Der Schub durch das Abarbeiten der während der Pandemie liegengebliebenen Aufträge werde abnehmen. Dass die Lage schwierig ist, zeigt auch die Umsatzentwicklung: Die Einnahmen im verarbeitenden Gewerbe fielen im Dezember preisbereinigt um 1,7% niedriger aus als im Vormonat, nachdem es im November noch zu einem Zuwachs von 2,5% gereicht hatte.

Die Aussichten für die deutsche Industrie bleiben also insgesamt schwierig – wobei es gegenteilige Trends gibt. Auf der einen Seite dürfte sie von den nachlassenden Problemen bei den globalen Lieferketten und der Wiederöffnung in China nach der Null-Covid-Politik profitieren. Auf der anderen Seite lassen die positiven Nachholeffekte nach der Corona-Pandemie nach und die Weltwirtschaft insgesamt schwächelt.

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