Lira-Krise

Türkische Zentralbank verschießt ihr Pulver

Weitere Devisenmarktinterventionen gegen die Lira-Krise verpuffen. Vor dem Zinsentscheid an diesem Donnerstag steigt an den Märkten die Nervosität: Beobachter befürchten eine weitere Zinssenkung.

Türkische Zentralbank verschießt ihr Pulver

rec Frankfurt

Vor dem Zinsentscheid an diesem Donnerstag sind Interventionen der türkischen Zen­tralbank im Kampf gegen die Währungskrise im Land erneut verpufft. Die Notenbank hat weitere Fremdwährungsreserven verkauft, um den Lira-Absturz aufzuhalten. Allerdings war die zwischenzeitliche leichte Erholung wie bei vorangegangenen Stützungsversuchen am Devisenmarkt nicht von Dauer. Am Mittwoch steuerte die Lira mit einem Minus von circa 3% auf ein neues Tief zu.

Angesichts des dramatischen Währungsverfalls und hoher Inflationsraten steigt an den Finanzmärkten die Nervosität. Die meisten Beobachter befürchten, dass die Zentralbank am Donnerstagmittag den Leitzins von derzeit 15% ein weiteres Mal absenkt. Das dürfte nach allgemeinem Dafürhalten allerdings der taumelnden Lira noch stärker zusetzen und das Inflationsproblem verschärfen. Der Wert der Landeswährung hat sich in diesem Jahr halbiert. Allein seit Anfang November hat sie etwa ein Drittel zu Dollar und Euro verloren. Trotzdem drängt Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan unverdrossen auf niedrigere Zinsen.

Analysten sind alarmiert. Der Griff zu den ohnehin limitierten Währungsreserven zu Wochenbeginn hat sich einmal mehr „als nutzlos erwiesen“, konstatiert Ulrich Leuchtmann, Devisenexperte der Commerzbank. „Und da schon die bisherigen Interventionen scheiterten, ist alle halbwegs realistische Hoffnung, mit Interventionen die Lira-Abwertung aufzuhalten, dahin.“ Für Leuchtmann rücken Kapitalverkehrskontrollen als letztes Mittel näher: Bürger und Unternehmen in der Türkei könnten dann nur noch in begrenztem Umfang Lira in Dollar oder andere Fremdwährungen umtauschen.

Wegen der Teuerung von offiziell mehr als 21% nehmen Spannungen im Land zu. Medienberichten zufolge gingen am Wochenende in den Großstädten Istanbul und Ankara Tausende auf die Straße, um gegen die stark gestiegenen Preise für Lebensmittel und Wohnraum zu demonstrieren. Teile der Opposition gehen wie einige unabhängige Beobachter davon aus, dass die Inflationsraten de facto noch deutlich höher sind. Der ehemalige Wirtschaftsminister und Chef der Oppositionspartei Deva, Ali Babacan, warnte am Dienstag: „Wir stehen mitten in der schlimmsten Krise unserer jüngsten Vergangenheit.“

Der Kurssturz der Währung beunruhigt auch die deutsche Wirtschaft. „Weil dadurch Waren aus dem Ausland teurer werden, verringert sich die Nachfrage in der Türkei und deutsche Exporte leiden darunter“, sagte der Präsident des Außenhandelsverbandes BGA, Dirk Jandura. So seien die Ausfuhren in die Türkei im August um 30% eingebrochen. Betroffen seien vor allem Exportwaren wie Maschinen, Autos und Autoteile sowie chemische Produkte.

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