Geldpolitik

Türkischer Zentralbankchef steckt in Dilemma

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wünscht sich von der Zentralbank niedrigere Zinsen. Eine zu hohe und anziehende Inflation und die Schwäche der Lira lassen das aber kaum vorstellbar erscheinen.

Türkischer Zentralbankchef steckt in Dilemma

ms Frankfurt

Die Inflation in der Türkei hat im April noch einmal spürbar angezogen und mit gut 17,1% den höchsten Stand seit fast zwei Jahren markiert. Damit scheinen Zinssenkungen vorerst kaum vorstellbar – auch wenn sich Präsident Recep Tayyip Erdogan ebensolche von der Zentralbank, die am Donnerstag berät, noch so sehr wünscht. Die Türkei steckt in einer wirtschaftlich schwierigen Lage, mit hoher Arbeitslosigkeit. Zuletzt hatten zudem die täglichen Corona-Neuinfektionen Rekordhochs erreicht – worauf die Regierung mit einem knapp dreiwöchigen Lockdown reagierte.

Mitte März hatte Erdogan überraschend Notenbankchef Naci Agbal entlassen, der den türkischen Leitzins im Kampf gegen die Inflation und den Verfall der Landeswährung Lira um 200 Basispunkte auf aktuell 19% erhöht hatte, und durch Sahap Kavcioglu ersetzt – einen vehementen Gegner einer straffen Geldpolitik. Erdogan lehnt hohe Zinsen ab und vertritt die unkonventionelle These, dass hohe Zinsen zu hoher Inflation führen. Die verbreitete Sichtweise besagt das genaue Gegenteil. Kavcioglu ist bereits der vierte Zentralbankchef seit 2018. Analysten sehen dadurch die Glaubwürdigkeit der Währungshüter heftig angekratzt.

Der Anstieg der Inflation im April von knapp 16,2% im März auf gut 17,1% geht nun vor allem auf den Kursrutsch der Lira und sich verteuernde Rohstoffimporte zurück. Allein seit dem Amtsantritt von Kavcioglu hat die Lira rund 13% an Wert eingebüßt. In der Folge haben die Importkosten für die Türkei deutlich angezogen. Der Kurssturz der Lira spiegelt sich auch in den Erzeugerpreisen wider, die im April binnen Jahresfrist um knapp 35,2% zulegten. Erdogan hat in den vergangenen Jahren immer wieder das Ausland und speziell die USA für die Währungskrise seines Landes verantwortlich gemacht. Im März hatte er an die Bürger appelliert, die zuhause ausländische Währungen und Gold aufbewahren. Die Bestände sollten investiert werden, forderte er.

In der vergangenen Woche hatte die Notenbank prognostiziert, dass die Inflation bis Jahresende auf 12,2% sinken wird. Im April sei der Höhepunkt erreicht worden. Manche Analysten halten allerdings einen weiteren Anstieg der Teuerungsrate im Mai für möglich, vielleicht sogar auch im Juni. Die Zentralbank strebt eine Inflationsrate von 5% an. Davon ist die Teuerung auf absehbare Zeit weit entfernt.

„Die Zentralbank bleibt im Mai angesichts der immer noch hohen Inflationsrisiken wahrscheinlich in Wartestellung“, sagte Muhammet Mercan, Chefvolkswirt für die Türkei bei der ING Bank, nach Veröffentlichung der Inflationszahlen und mit Blick auf die Sitzung am Donnerstag. Bei seiner ersten geldpolitischen Sitzung hatte Kavcioglu die Zinsen unverändert belassen, aber das vorherige Versprechen einer weiteren Straffung zurückgenommen.