Umwelt für nachhaltiges Wachstum schützen
wü Paris – Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Regierungen aufgefordert, mehr Reformanstrengungen zu unternehmen, um so das Wachstum anzukurbeln. Im Vergleich zu der Zeit direkt nach der Finanzkrise hat der Reformeifer deutlich nachgelassen, zeigt die neueste Wachstumsstudie “Going for growth 2019”, die OECD-Generalsekretär Angel Gurría vor dem G7-Finanzministertreffen am Mittwoch und Donnerstag in Chantilly vorstellte. “Mit Blick auf das schwächelnde Wachstum und den Einfluss des technologischen Wandels auf unsere Wirtschaft, ist es höchste Zeit, Reformen für inklusives, nachhaltiges Wachstum umzusetzen”, sagte er.Die hohe Handelsunsicherheit erzeuge weiteren Gegenwind und damit ein sich abschwächendes Wachstum, erklärte OECD-Chefökonomin Laurence Boone. Gleichzeitig entwickelten sich Fortschritte des Lebensstandards, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf, viel langsamer als vor der globalen Finanzkrise. Diese Entwicklung sollte Politiker dazu anspornen, nötige Reformen für ein stärkeres, alle Bevölkerungsgruppen umfassendes und umweltfreundliches Wachstum einzuleiten, empfiehlt sie. Dabei gilt es, die fünf Megatrends zu berücksichtigen, die ihrer Meinung nach die wirtschaftliche Entwicklung in Zukunft beeinflussen werden: Globalisierung, Digitalisierung, alternde Gesellschaften und Umweltzerstörung.Die Experten der OECD geben für jedes Land spezielle Empfehlungen. Sie betonen zwar, dass die Reformprioritäten in jedem Land anders seien. Bildung sei jedoch die Reform, die am häufigsten Priorität habe, erklärt Chefökonomin Boone. Denn sie sei entscheidend dafür, dass aktuelle und künftige Generationen eine Arbeit finden, was wiederum die Produktivität ankurbele und ein erfülltes Leben verspreche. Boone rät vielen europäischen Ländern, Lateinamerika und den USA dazu, verstärkt Ressourcen zur Förderung von benachteiligten Schülern und Schulen zu verwenden.Deutschland legt sie nahe, die Allgemeinbildung an Berufsschulen zu stärken, ohne die Ausrichtung der Berufsbildung und Ausbildung zu beschneiden. Gleichzeitig sollten mehr Ausbildungsprogramme lebenslanges Lernen ermöglichen und bei der Arbeit erworbene Fähigkeiten besser anerkannt werden, heißt es in der Wachstumsstudie. Mehr Fortbildungsprogramme sollten Arbeitnehmer fit für technologische Veränderungen machen. Ungelernte Erwachsene wiederum sollten besser finanziell unterstützt und beraten werden, um berufliche Qualifikationen zu erwerben.Verbesserungen fordert die OECD von Deutschland auch in der Arbeitswelt. “Relativ kurze Arbeitszeiten von Frauen sorgen für einen geschlechterspezifischen Einkommensunterschied”, urteilen die Experten der internationalen Organisation. Dadurch würden Karrierechancen von Frauen beeinträchtigt. Sie empfehlen deshalb, die Betreuung für Kleinkinder zu verbessern, die Steuerlast für Zweitverdiener zu verringern und Vätern stärkere Anreize zu bieten, länger als zwei Monate in Elternzeit zu gehen. Außerdem raten sie, die Infrastruktur auf dem Land durch schnelles Internet zu verbessern und bezahlbaren Wohnraum in den Städten zu fördern. Sie legt der Bundesregierung zudem nahe, Umweltverschmutzung steuerlich teurer zu machen, Mehrwertsteuervergünstigungen abzubauen und Sozialabgaben vor allem für Geringverdiener zu senken.Überhaupt befürwortet OECD-Chefökonomin Boone mehr ökologische Steuern, um die Umweltzerstörung zu bekämpfen. Sie plädiert deshalb auch dafür, Agrarsubventionen abzubauen, Steuervergünstigungen abzubauen, die der Umwelt schaden und in umweltfreundlicheren öffentlichen Verkehr zu investieren, um die Schadstoffemissionen des Verkehrssektors zu reduzieren. “Die Bekämpfung von Luftverschmutzung, Klimawandel und anderen Hauptumweltproblemen muss Teil einer nachhaltigen Wachstumsstrategie sein”, fordert sie.