Unerwartet deutlicher Dämpfer zu Jahresbeginn
Industrie verpatzt Jahresstart
Stärkstes Auftragsminus seit einem Jahr − Schwache Inlandsnachfrage − Großaufträge verzerren
Die schwächelnde deutsche Industrie ist mit einem so kräftigen Auftragsminus ins neue Jahr gestartet wie seit vergangenem Januar nicht mehr. Das Dezember-Plus, das zudem weniger stark als zunächst gemeldet ausfiel, ist damit bereits wieder aufgezehrt. Vor allem die Inlandsnachfrage zeigt sich schwach.
ba Frankfurt
Das neue Jahr beginnt für die deutsche Industrie, wie das alte endete: Mit einer von Großaufträgen dominierten Wellenbewegung bei den Neubestellungen, und diesmal ging es kräftig nach unten. An der Hoffnung, dass nun eine Bodenbildung ansteht, halten Ökonomen dennoch fest. Derweil scheint sich zu manifestieren, dass die Auto- und die Pharmabranche durch die von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zölle von 25% gebremst werden. Auch wird ein Handelskrieg der USA mit der EU immer wahrscheinlicher, der die stark exportlastige Industrie merklich treffen würde. Die zu erwartenden staatlichen Mehrausgaben für Verteidigung und Infrastruktur wiederum dürften sich erst mit Verzögerung in den Konjunkturdaten niederschlagen.
Dezember-Plus egalisiert
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) hat das verarbeitende Gewerbe im Januar preis-, saison- und kalenderbereinigt 7,0% weniger Aufträge eingesammelt als im vergangenen Monat. Einen kräftigeren Monatsrückgang gab es zuletzt im Januar vergangenen Jahres mit −10,9%. Ökonomen hatten für diesen Januar lediglich ein Minus von 2,8% erwartet. Zudem verlief der Dezember etwas schwächer als zunächst gemeldet: Die Statistiker revidierten den Zuwachs um 1,0 Prozentpunkte auf 5,9% nach unten. Erneut haben Großaufträge das Bild verzerrt − rechnet man diese volatile Größe heraus, die sich in der Produktion ohnehin erst im Zeitablauf zeigt, ergibt sich ein Rückgang um 2,7% zum Vormonat. „Bei der Nachfrage im verarbeitenden Gewerbe zeichnet sich in der Tendenz noch keine nachhaltige Belebung ab“, urteilt das Bundeswirtschaftsministerium. Die Unsicherheit über die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in den kommenden Jahren dürfte ebenfalls eine Rolle gespielt haben.
Schwache Inlandsnachfrage
Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen urteilt, dass sich die Nachfrage „allerdings nachhaltig stabilisiert zu haben scheint, sodass auch die Produktion bald ihren Tiefpunkt erreicht haben dürfte“. Dies würde die Chance erhöhen, dass die deutsche Wirtschaft, die zum Jahresende noch leicht geschrumpft war, insgesamt bald wieder etwas zulegt. Für ein Produktionsplus im Januar spricht zumindest das Umsatzwachstum von 9,4%. Allerdings zeigte sich vor allem die Inlandsnachfrage schwach, hier messen die Statistiker ein Minus von 13,2%. Die Auslandsaufträge fielen um 2,3%, wobei die Nachfrage aus den Ländern innerhalb und außerhalb der Eurozone mit 2,5% bzw. 2,3% in ähnlichem Ausmaß nachgab.
Für Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, „besteht aber weiter die Hoffnung auf eine Bodenbildung“. Auch wenn für die nächsten Monate zunächst weiter Magerkost auf dem Plan stehe: „Höhere US-Zölle werden erst noch belasten und Lieferketten sich neu sortieren.“ Hinsichtlich der Investitionspläne des wahrscheinlichen neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz (CDU) betonte Krüger: „Bis zur Merz-Bazooka muss die Industrie jetzt durchhalten.“
„Man muss die Zahlen schon ganz schön quälen, um ihnen noch etwas Positives abzugewinnen“, sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. Trotz des Wachstums von 1,0% ohne Großaufträge im Dreimonatsvergleich sehe es insgesamt „eher aus wie ein volatiler Seitwärtslauf auf niedrigem Niveau“. Inklusive Großaufträge ergibt sich für den Dreimonatsvergleich ein Rückgang um 2,4%. Die Großaufträge fielen schwach aus, wie sich bei den deutlichen Auftragsrückgängen im Maschinenbau (−10,7%) und im sonstigen Fahrzeugbau (−17,6%) – zu dem Flugzeuge, Schiffe, Züge und Militärfahrzeuge zählen – zeigt.
Einen negativen Einfluss auf das Gesamtergebnis hatte auch der Bereich Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen (−12,9%) wohingegen der Anstieg in der Herstellung von elektronischen Ausrüstungen um 4,8% einen stärkeren Rückgang verhinderte.