Unerwartetes Produktionsplus
ba Frankfurt
Die deutsche Industrie hat mit einem Schlussspurt das dritte Quartal beendet und die Produktion stärker als erwartet hochgefahren. Ökonomen warnen allerdings, dass angesichts der hohen Verbraucher- und Energiepreise, des anhaltenden Materialmangels und der weiter rückläufigen Auftragseingänge die Fertigung in den kommenden Monaten weiter sinken wird – und die Gesamtwirtschaft in die Rezession gleitet. Denn im September haben energieintensive Industriezweige die Produktion erneut stark eingeschränkt.
Trüber Ausblick
Laut vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) produzierten Industrie, Bau und Energieversorger saison- und kalenderbereinigt 0,6% mehr als im Vormonat. Ökonomen hatten ein schmäleres Plus von 0,1% erwartet. Allerdings fiel der Rückgang im August mit 1,2% kräftiger aus als mit zunächst 0,8% gemeldet. Im Quartalsvergleich gab es laut Bundeswirtschaftsministerium einen „beachtlichen Zuwachs um 0,5%“. Gleichwohl, so hieß es weiter, „bleibt der Ausblick auf die kommenden Monate eingetrübt“. Die Stimmung in den Unternehmen sei weiter „deutlich unterkühlt und die Nachfrage spürbar rückläufig“. Im September fielen die Neubestellungen insbesondere wegen der schwachen Auslandsnachfrage um 4,0% geringer aus als im Vormonat, während sich das Ifo-Geschäftsklima auf niedrigem Niveau stabilisierte.
Dass der Output um 4,2% über dem Niveau des Vorjahres lag, bezeichnete VP-Bank-Chefökonom Thomas Gitzel als „durchaus respektabel“. Ein Manko bleibe aber die Produktion in den energieintensiven Bereichen der Wirtschaft, die im September die Fertigung nach den spürbaren Rückgängen in den vergangenen Monaten um 0,9% senkten. Im Vergleich zum Vorjahr sank der Output gar um 9,7%. Das kräftige Minus „dürfte die Diskussion um eine drohende Deindustrialisierung weiter anheizen“, sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch. Für Gitzel liegt die Hoffnung nun auf der Energiepreisbremse: „Kommen Industriebetriebe in den Genuss niedrigerer Strom- und Gaspreise, könnte dies im kommenden Jahr positiv auf die Produktionsentwicklung abfärben.“
Autos bringen Schwung
Andere Wirtschaftszweige, wie etwa der gewichtige Bereich Kfz und Kfz-Teile, fertigten 9,3% mehr als im Vormonat. Allerdings, so mahnt Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen, ließen die bereits verfügbaren Produktionszahlen des VDA für den Oktober wieder ein Minus erwarten. Die gesamte Industrie im engeren Sinne erhöhte den Ausstoß um 0,7%. Die Energieerzeugung legte 1,7% zu, wohingegen die Wiesbadener Statistiker für den Bau ein Minus von 0,3% meldeten. Noch zehre die Industrie von ihren großen Auftragsbeständen, sodass die auch aus dem Ausland schwache Nachfrage noch nicht auf die Produktion durchschlage, kommentiert Solveen. Da die Fertigung gemessen am Niveau der Auftragseingänge „deutlich höher“ sein müsse – um etwa 6% – sei zumindest derzeit die Verfügbarkeit von Material wichtiger als die aktuellen Neubestellungen.
Für ING-Chefökonom Carsten Brzeski ist der siebte Auftragsrückgang in Folge im September allerdings ein Warnzeichen: „Schrumpfende Auftragsbücher und steigende Lagerbestände waren noch nie ein gutes Zeichen für die künftige Industrieproduktion.“ Nachdem sich zudem die Exportaussichten verschlechtert haben, die gestiegenen Energieimporte zu höheren Preisen den berühmten deutschen Handelsbilanzüberschuss fast zum verschwinden gebracht haben und es zaghafte Anzeichen für eine Abkühlung des Arbeitsmarktes gebe, sei die Lage der Wirtschaft „alles in allem eindeutig schlechter, als die BIP-Daten für das dritte Quartal vermuten ließen“. In der ersten Schnellmeldung hat Destatis ein unerwartetes Plus von 0,3% geschätzt. Brzeski würde „nicht einmal ausschließen, dass die zweite Schätzung eine Korrektur nach unten enthält“. Die ausführlichen Ergebnisse meldet Destatis am 25. November. In Gitzel von der VP Bank wiederum „keimt Hoffnung, dass die wieder besser funktionierenden Lieferketten auch im Schlussquartal Früchte tragen“. Dann könne der nachgebende private Konsum „zumindest etwas kompensiert werden“.