OECD-Wirtschaftsausblick

Ungleichgewichte nehmen zu

Raschere und besser koordinierte weltweite Impfanstrengungen müssen nach Ansicht der Industrieländerorganisation OECD Priorität haben. Um den Aufschwung nicht zu gefährden, müssten die zunehmenden Ungleichgewichte abgebaut werden.

Ungleichgewichte nehmen zu

wü Paris

Die globale Wirtschaft setzt ihren Erholungskurs fort. Doch durch die neue Omikron-Variante des Coronavirus erhöhe sich das Risiko, dass sich die seit Ausbruch der Krise entstandenen Ungleichgewichte weiter verstärken und den Aufschwung gefährden, warnt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem jüngsten Wirtschaftsausblick. „Damit der Aufschwung kräftig und auf Kurs bleibt, müssen Ungleichgewichte abgebaut werden“, forderte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann bei der Vorstellung des Berichts. „Vor allem aber muss die Gesundheitskrise bewältigt werden – durch bessere internationale Koordination, Verbesserungen im Gesundheitssystem und massiv beschleunigte Impfprogramme weltweit.“

Die kräftige Erholung habe sich verlangsamt, erklärte Chefökonomin Laurence Boone. Der Horizont werde inzwischen durch die Beeinträchtigungen des Angebots, den Anstieg der Inflation und die anhaltenden Auswirkungen der Pandemie verdunkelt. Boones größte Sorge ist, dass die großen Unterschiede bezüglich Infektionsraten, Krankenhauskapazitäten und Impfquoten dazu führen, dass Regionen mit niedrigen Impfquoten zu einer Art Brutstätte von neuen, gefährlicheren Varianten werden. Selbst wenn dieser Fall nicht eintreffen sollte, könnten neue Coronawellen die Mobilität in einigen Regionen weiterhin einschränken und zu langanhaltenden Folgen für Arbeitsmärkte, Produktionskapazitäten und Preisen führen, gibt sie zu bedenken.

Zu viel Gerede, wenig Taten

Die weltweite Wachstumsprognose für dieses Jahr hat sie jedoch nur leicht von 5,7% auf 5,6% gesenkt. Dagegen hat sie die Prognosen für die Inflation in den G20-Staaten deutlich angehoben. Die OECD-Experten gehen davon aus, dass die Inflation in den meisten Industrie- und Schwellenländern im ersten Quartal 2022 einen Höhepunkt erreicht und sich danach wieder abschwächt, jedoch weiterhin höher als vor Ausbruch der Pandemie ausfällt. 2023 dürfte sie in den meisten Industrieländern um die 2% betragen, in der Eurozone 1,75% bis 2%, so der Ausblick.

Das Beste, was Zentralbanken in der gegenwärtigen Lage tun könnten, sei abzuwarten, dass sich die Spannungen der Lieferkette ab­schwächen, und gleichzeitig zu signalisieren, dass sie – wenn notwendig – bereit seien zu handeln, empfiehlt Boone. Das müssten sie tun, wenn die Lieferengpässe anhalten sollten, während Wirtschaft und Beschäftigung kräftig zulegen und so zu weiteren Preiserhöhungen und länger anhaltendem Inflationsdruck führten. „Es gibt aber keine Einheitsgeldpolitik, die für alle passt, weil es sehr unterschiedliche Situationen in einigen Schwellenländern gibt“, erklärte die OECD-Chefökonomin. Die Situation in den USA sei anders als die in Europa und auch als die in Asien, wo die Inflation kein so großes Thema sei.

Boone äußerte sich auch beunruhigt darüber, dass Überlegungen, wie Staatsfinanzen jetzt während der Erholung umgestaltet werden könnten, bisher keine große Rolle spielen. Dabei ist sie weniger über die Höhe der Schulden besorgt als darüber, wie sie eingesetzt werden. „Die Regierungen müssen die Art und Weise überdenken, wie sie die öffentlichen Mittel einsetzen“, empfiehlt die Ökonomin. „Sie müssen klüger ausgeben, um das Wachstumspotenzial zu steigern und die Energiewende zu beschleunigen.“ Denn Boones Meinung nach wird bisher nicht genug zur Bekämpfung des Klimawandels getan. „Es wird zu viel in Bezug auf den Klimawandel geredet, aber nicht genug getan – das ist alarmierend.“

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