Haushalt

Unsicherheit in Italien nimmt zu

Italien strebt einen sehr expansiven Haushalt an. Subventionen kommen nicht nur denjenigen zugute, die sie wirklich brauchen, kritisieren Ökonomen. Trotzdem bleibt die Kritik an Ministerpräsident Draghi leise.

Unsicherheit in Italien nimmt zu

Um letzte Korrekturen an Italiens Haushalt für 2022 wird bis zuletzt gerungen. Nach der Zustimmung des Senats am Heiligen Abend will das Abgeordnetenhaus am 28. Dezember abstimmen. Trotz Murrens in der Regierungskoalition gibt es keinen Zweifel, dass das Budget mit breiter Mehrheit angenommen wird. Dafür sorgt neben der großen parlamentarischen Mehrheit der Regierung auch die Verbindung der Abstimmung mit der Vertrauensfrage.

Der Haushalt ist sehr expansiv. Er sieht Mehrausgaben und Steuersenkungen im Umfang von 32 Mrd. Euro vor – mehr als ursprünglich geplant: 3,8 Mrd. Euro erhalten die Bürger als Kompensation für die steigenden Energiepreise, bald vielleicht noch mehr. Die Steuersenkungen in Höhe von 8 Mrd. Euro kommen vor allem mittleren und unteren Einkommensklassen zugute. Dazu gibt es ein neues Kindergeld und den Bonus für energetische Maßnahmen. Der Staat erstattet entsprechende Arbeiten komplett und gibt noch etwas dazu – sogar für das Ferienhaus. Bereits 13 Mrd. Euro hat Rom für diese Maßnahme, die vor allem den Bessersituierten zugutekommt, ausgegeben. Weitere 18,5 Mrd. Euro sind bis 2025 vorgesehen. Draghi weitet außerdem großzügige Vorruhestandsregeln für einzelne Berufssparten aus und hebt das 2019 auf 62 Jahre gesenkte Rentenalter nur für ein Jahr um zwei Jahre an.

Die internationalen Medien huldigen Premierminister Mario Draghi dennoch – wohl auch aus Angst davor, wer nach ihm kommt. Doch die Wirtschaft des Landes klagt, dass er zu wenig tut, um ihre Steuer- und Abgabenlast zu senken. Und die Gewerkschaften kritisieren eine soziale Schieflage zulasten der Bezieher von Niedrigeinkommen. Auch der bekannte Ökonom Carlo Cottarelli hätte „Subventionen und andere Maßnahmen auf diejenigen konzentriert, die sie brauchen“.

Die Kritik richtet sich nie gegen Draghi direkt, der unantastbar erscheint. In seiner Pressekonferenz zum Jahresende nannte er die hohe Impfquote, die pünktliche Einreichung der Pläne für die Verwendung der Mittel des europäischen Wiederaufbauplans, dessen größter Nutznießer Italien ist, sowie das Erreichen der 51 Ziele des Programms als seine größten Erfolge. Er ließ erkennen, dass er im Januar für das Amt des Staatspräsidenten kandidieren könnte. Die zerstrittenen Parteien hoffen aber, dass er bis zu den Parlamentswahlen 2023 Premierminister bleibt. Lorenzo Codogno vom European Economics Notebook, hielte es auch für besser, wenn Draghi Premierminister bliebe.

Würde Draghi ins Präsidentenamt wechseln, wäre der Reformkurs gefährdet, glauben viele Beobachter. Als Staatspräsident hätte er viel weniger Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen. Es könnte gar zu Neuwahlen kommen – mit ungewissem Ausgang. Dass der Spread zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen nun auf 142 Basispunkte gestiegen ist, zeigt eine gewisse Beunruhigung der Märkte.

Dabei ist Draghis Bilanz gar nicht so glänzend. Das Gesetz zur Förderung des Wettbewerbs etwa war eine Enttäuschung. Die Rückführung der hohen Schulden ist wenig ehrgeizig, die Inflation und die hohen Energiepreise bedrohen den Aufschwung, der Staatseinfluss in der Wirtschaft nimmt zu. Viele Schwächen wie die ineffiziente Verwaltung, die lahme Justiz und die hohe Jugendarbeitslosigkeit sind nicht gelöst. Um Italien weiterhin haushaltspolitischen Spielraum zu verschaffen, will Dra­ghi den Stabilitätspakt aufweichen und ist für die dauerhafte Aufnahme gemeinsamer Schulden in Europa – im Einklang mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.