Urlauber sorgen für Wachstum im Euroraum
Urlauber sorgen für Wachstum
BIP legt in Deutschland, Frankreich und Spanien unerwartet kräftig zu – Stagnation in Italien
ba Frankfurt
Die Konjunktur im Euroraum hat sich im Sommer besser entwickelt als erwartet. Der Tourismus, nicht zuletzt während der Olympischen und Paralympischen Spiele, hat das Wachstum in Frankreich und Spanien kräftig angeschoben. Der Konsum wiederum hat der deutschen Wirtschaft auf die Sprünge geholfen.
Der Sommer ist konjunkturell in vielen Ländern des Euroraums besser als erwartet verlaufen. Vor allem der Tourismusboom, aber auch ein höherer Privatkonsum haben für Wachstum gesorgt. Für die EZB vermindert sich daher der Druck etwas, bereits im Dezember mit einer erneuten Zinssenkung nachzulegen. Der dann vierte Lockerungsschritt wird am Markt allerdings bereits fest erwartet. Niedrigere Finanzierungskosten könnten die Investitionen ankurbeln, die im dritten Quartal etwas schwächer ausgefallen waren.
Im dritten Quartal ist die Wirtschaft im gemeinsamen Währungsraum um 0,4% zum Vorquartal gewachsen – und damit doppelt so stark wie im Frühjahr mit 0,2%. Experten hatten mit einem erneuten Wachstum dieser Größenordnung für die drei Monate bis September gerechnet. Für Überraschung gesorgt hat vor allem das unerwartet kräftige Wachstum in Deutschland, Frankreich und Spanien. Da allerdings die Frühindikatoren zuletzt nachgegeben haben, wird sich das Wachstum im Winterhalbjahr wohl verlangsamen.
Deutschland überrascht positiv
Dank des privaten und staatlichen Konsums hat das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Sommer unerwartet zugelegt. Das Statistikamt Destatis meldet ein Plus von 0,2%. Damit ist die deutsche Wirtschaft knapp an der technischen Rezession – zwei Minusquartalen in Folge – vorbeigeschrammt: Ökonomen hatten erwartet, dass die Wirtschaftsleistung erneut schrumpft. Allerdings war das Frühjahrsquartal schwächer verlaufen als zunächst gemeldet. Statt eines Rückgangs von 0,1% melden die Wiesbadener Statistiker nun ein Minus von 0,3%. Details zu den Nachfragekomponenten veröffentlicht Destatis erst am 22. November.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hält das unerwartete Wachstum für einen „Ausreißer nach oben“. Die seit dem Frühjahr fallenden Frühindikatoren wie das Ifo-Geschäftsklima deuteten unverändert auf ein schwieriges Winterhalbjahr. „Danach dürfte es wegen der Hiobsbotschaften aus der wichtigen Autoindustrie und der jahrelangen Erosion der Standortqualität nur zögerlich nach oben gehen.“
Die Bundesregierung erwartet, dass die hiesige Wirtschaft im laufenden Jahr um 0,2% schrumpft, bevor sie 2025 nach dann zwei Minusjahren in Folge auf den Wachstumspfad zurückkehrt und 1,1% zulegt. 2026 sollen es dann 1,6% werden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) wiederum rechnet für 2024 mit einer Stagnation der deutschen Wirtschaft und prognostiziert für 2025 ein Plus von 0,8% sowie von 1,4% für 2026. Damit bleibt die größte Euro-Volkswirtschaft der Bremsklotz: Das BIP im gemeinsamen Währungsraum wird mit 0,8%, 1,2% und 1,5% für die Jahre 2024 bis 2026 prognostiziert. 2023 hatte das Euro-BIP noch um 0,4% zugelegt.
Einmaleffekt Olympia
Die Olympischen und Paralympischen Sommerspiele haben Frankreich im Sommerquartal richtig in Schwung gebracht: Laut Insee verdoppelte sich das Wachstum dort im Quartalsvergleich von 0,2% im Frühjahr auf 0,4% in den drei Monaten bis September. Ökonomen hatten zwar ein beschleunigtes Wachstum erwartet, aber nur von 0,3%. Getragen wurde das Wachstum der nach Deutschland zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone vom privaten Konsum, der nach der Stagnation im Frühjahr um 0,5% zulegte. Rund die Hälfte hätte dabei der „Konsum von Freizeitdienstleistungen im Rahmen der Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris“ gebracht, betonten die Statistiker. Das sportliche Großereignis hatte im Juli und August zahlreiche ausländische Touristen ins Land gelockt, wovon vor allem die Dienstleister profitierten.
Leicht positiv wirkte auch der Außenhandel, wobei die Exporte um 0,5% schrumpften, die Importe hingegen um 0,7%. Die Investitionen gaben um 0,8% nach. Den Rückgang der Industrieproduktion um 0,1% – nach 0,3% im zweiten Quartal – begründet Insee vor allem mit dem Rückgang bei den Raffinerieprodukten. Die Produktion im Baugewerbe wiederum stabilisierte sich nach vier Minusquartalen in Folge. Vergangene Woche hat die Ratingagentur Moody’s den Ausblick für Frankreich mit Verweis auf die unsichere Budgetlage von stabil auf negativ gesenkt. Die Bonitätsnote von „Aa2“ blieb hingegen unverändert. Der IWF traut Frankreich in diesem Jahr ebenso wie im kommenden ein Wachstum von 1,1% zu, 2026 sollen es 1,6% werden. Zum Vergleich: 2023 hatte das BIP um 1,1% zugelegt.
Unerwartete Stagnation in Italien
In der drittgrößten Euro-Volkswirtschaft Italien stagnierte das Wirtschaftswachstum. Experten hatten hier einen Anstieg von 0,2% erwartet. Dem Statistikamt Istat zufolge resultiert das Nullwachstum aus dem Rückgang der Wertschöpfung sowohl in der Land- und Forstwirtschaft und Fischerei als auch in der Industrie. Die Dienstleister hatten einen positiven Beitrag gebracht. Auf der Nachfrageseite stand ein positiver Beitrag der Inlandskomponente einem negativen Beitrag der Nettoexportkomponente gegenüber. Italiens BIP dürfte den IWF-Prognosen mit Ausnahme von 2025 wie schon im vergangenen Jahr bei 0,7% liegen. Im kommenden Jahr sollen es 0,8% werden.
Spanien hält hohes Tempo
Spaniens Wirtschaft konnte überraschend das bereits hohe Wachstumstempo halten: Das Statistikamt INE meldete wie schon im zweiten Quartal ein BIP-Plus von 0,8%. Ökonomen hatten für die Monate Juli bis Ende September im Schnitt einen Zuwachs von 0,6% prognostiziert. Für den Jahresvergleich melden die Statistiker ein Wachstum von 3,4%. Die Voraussage lag hier im Schnitt bei 3,0%. Positive Impulse brachten die Konsumausgaben: Die der privaten Haushalte legten zum Vorquartal um 1,1% zu, die des Staates um 2,2%. Die Bruttoanlageinvestitionen sanken um 0,7%. Auch der Außenhandel bremste das Wachstum, nachdem die Exporte mit 0,9% schwächer zulegten als die Importe mit 1,2%.
Auf der Angebotsseite stieg die Wertschöpfung aller großen Sektoren – mit Ausnahme des Baugewerbes. Die Industriezweige wuchsen um 0,2%, wobei sich die Wachstumsrate des verarbeitenden Gewerbes zum Vorquartal um 1,5 Prozentpunkte auf 0,1% abschwächte, wie die Statistiker mitteilten. Die Dienstleister legten 1,1% zu. Für das Baugewerbe meldet INE einen Rückgang von 1,4% – im Vorquartal hatte sich noch ein Plus von 0,6% ergeben. Der IWF rechnet nach 2,7% Wachstum im Jahr 2023 für 2024 mit einem Plus von 2,9%. Die viertgrößte Euro-Volkswirtschaft profitiert vor allem vom Tourismus, der in diesem Jahr einen neuen Rekord erzielen dürfte. 2025 und 2026 dürfte sich das Wachstum aber wieder verlangsamen, hier rechnet der Währungsfonds mit Raten von 2,1% und 1,8%.