AMERIKA HAT GEWÄHLT

US- und Weltwirtschaft droht Schaden

Hoffnung auf rasches zweites Fiskalpaket schwindet - Fed rückt in den Fokus

US- und Weltwirtschaft droht Schaden

Von Mark Schrörs, FrankfurtEine politische Hängepartie nach den US-Präsidentschaftswahlen oder ein wochen-, vielleicht gar monatelanger juristischer Streit über den Wahlausgang drohen nicht nur schweren politischen Schaden in den USA anzurichten, sondern auch enormen ökonomischen Schaden – in der US-Wirtschaft, aber auch in der Welt- und damit auch der europäischen Wirtschaft. “Solche Unsicherheit ist schädlich für die US-Konjunktur und damit auch für die Weltwirtschaft”, sagte gestern etwa auch Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) Kiel.Kurzfristig besteht vor allem die Gefahr, dass das erhoffte zweite Fiskalpaket weiter auf sich warten lässt – oder gar nicht kommt. Seit September hatten Republikaner und Demokraten über weitere Konjunkturhilfen gestritten, die insbesondere auch die US-Notenbank Fed als dringend geboten ansieht. Zwar hat die US-Wirtschaft im Sommer ein Rekordwachstum von aufs Jahr hochgerechnet 33,1 % verzeichnet. Das folgte aber auf einen ebenso historischen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Frühjahr von annualisiert 31,4 %. Zudem droht die zweite Corona-Pandemiewelle die jetzt bereits teils schwächelnde US-Wirtschaft zusätzlich stark zu belasten.Die Demokraten hatten im Repräsentantenhaus ein 2,2-Bill.-Dollar-Programm verabschiedet, das Hilfen für Arbeitslose, aber auch Unterstützung für die von der Krise gebeutelten Bundesstaaten und Gemeinden vorsieht. US-Präsident Donald Trump hatte dagegen ein geringeres Paket mit anderen Schwerpunkten vorgeschlagen. Trotz wochenlanger Verhandlungen konnten sich beide Seiten nicht einigen. Zuletzt war dann die Hoffnung, dass das Paket rasch nach der Wahl kommt. Diese Hoffnung schwindet nun. “Das kurzfristig geplante Stimuluspaket für die Konjunktur in der Coronakrise könnte scheitern”, sagte IfW-Präsident Felbermayr. Auf jeden Fall aber könnte es zu weiteren Verzögerungen kommen – und die Hilfe für die US-Wirtschaft auf sich warten lassen. Sorge um InvestitionenAls weitere Hypothek könnte sich die Unsicherheit als solche herausstellen – vor allem mit Blick auf die Investitionen. “Unternehmen in Wirtschaftssektoren, die von Kursänderungen in zentralen Politikfeldern wie der Handels- oder der Klimapolitik betroffen sind, werden ihre Investitionsentscheidungen bis zu einer abschließenden Klärung des Wahlergebnisses aufschieben”, sagte gestern auch Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK): “Somit droht die US-Wirtschaft anhaltenden Schaden zu nehmen.” Weitere Ungemach könnte drohen, wenn die US-Konsumenten sich stärker zurückhalten.Sollte sich die US-Wirtschaft weiter deutlich abschwächen und sollten fiskalische Hilfen auf sich warten lassen, dürfte auch der Druck auf die Fed steigen, ihre bereits beispiellos expansive Geldpolitik weiter zu lockern. Die US-Währungshüter entscheiden morgen über ihren weiteren Kurs. Sie dürften zunächst stillhalten. Aber in der Pandemie hat die Fed bislang nach dem Motto “Klotzen, nicht kleckern” agiert. Bei einer weiteren Lockerung in den USA würde auch der Druck auf andere Notenbanken weltweit weiter zunehmen – zumal wenn diese keine starke Aufwertung ihrer Landeswährung riskieren wollen. Ohnehin stehen sie wegen der Coronakrise unter Druck. Die Europäische Zentralbank (EZB) etwa hat für Dezember schon ein neues Lockerungspaket avisiert.Wenn die US-Wirtschaft nach der Wahl spürbaren Schaden nimmt, bliebe das auch nicht ohne Folgen für die Weltwirtschaft. Die USA sind immer noch die weltgrößte Volkswirtschaft und ihr Zustand entscheidet maßgeblich über Wohl und Wehe der globalen Konjunktur mit. Aber bereits jetzt befindet sich die Weltwirtschaft in einer kritischen Lage. Der Internationale Währungsfonds (IWF) etwa hatte zwar im Oktober seine Prognose für den BIP-Einbruch in diesem Jahr auf nur noch 4,4 % angehoben und für 2021 ein Wachstum von 5,2 % geschätzt. Zugleich hatte er aber vor Rückschlägen gewarnt – wie die zweite Pandemiewelle weltweit sicher einer ist.Nicht zuletzt die europäische und die deutsche Wirtschaft schauen besonders gen USA. Beiden droht aktuell wegen der zugespitzten Coronakrise bereits eine neuerliche Rezession (“Double Dip”). Da wären schlechte Nachrichten aus den USA zusätzliches Gift. Für Deutschland etwa sind die USA seit Jahren der wichtigste Exportmarkt. 2019 belief sich das Volumen der Exporte auf 119 Mrd. Euro. Kein Wunder also, dass sich gestern gleich eine Reihe Wirtschaftsvertreter besorgt über die politische Lage in den USA äußerte.