Verbraucher erwarten wieder mehr Inflation
Die Verbraucher im Euroraum haben zum Jahresende 2022 ihre Erwartungen an die mittelfristige Inflation wieder etwas angehoben – und das trotz der Tatsache, dass die Teuerung Ende 2022 deutlich und auch stärker als erwartet nachgegeben hat. Das dürfte die Sorgen vieler Euro-Notenbanker schüren, dass sich die Inflationserwartungen nachhaltig vom 2-Prozent-Inflationsziel lösen, was die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale erhöhen würde. Das wiederum spricht tendenziell dafür, dass die Europäische Zentralbank (EZB) vorerst an ihrem Kurs deutlicher Zinserhöhungen festhält.
Die Inflationserwartungen stehen derzeit mit Blick auf die Lohnentwicklung und die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik im besonderen Fokus der EZB. Die Inflation im Euroraum hat zum Jahreswechsel deutlich von 10,6% im Oktober auf 8,5% im Januar nachgegeben. Sie liegt damit aber immer noch deutlich oberhalb des mittelfristigen EZB-Zielwerts. Hinzu kommt, dass die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel bislang keine Anzeichen einer Abschwächung zeigt und im Januar bei rekordhohen 5,2% verharrt hatte. Der EZB-Rat hatte vergangene Woche seine Leitzinsen erneut um 50 Basispunkte erhöht und für März das Gleiche avisiert. Für die Zeit danach hielt er sich aber recht bedeckt.
Am Dienstag nun veröffentlichte die EZB ihren neuen, monatlichen Consumer Expectations Survey (CES). Demnach sagten die Verbraucher im Dezember auf Sicht von drei Jahren im Median eine Inflationsrate von 3,0% voraus – nach 2,9% im Oktober. Von Oktober auf November war der Wert von 3,0% auf 2,9% zurückgegangen – was als eher positives Zeichen gewertet worden war. Nun wurde dies zurückgedreht. Im Mittelwert verharrte die Inflationserwartung auf Sicht von drei Jahren im Dezember bei 4,6%. Beide Werte liegen deutlich oberhalb des mittelfristigen 2-Prozent-Ziels. Auf Sicht von einem Jahr verharrten die Inflationserwartungen im Median bei 5,0% und im Mittelwert ging es weiter von 7,3% auf 6,6% zurück.
Die Hardliner im EZB-Rat („Falken“) könnten die neue Umfrage als Argument nutzen, dass die bisherigen Zinserhöhungen das Vertrauen der Menschen in eine zeitnahe Rückkehr zum 2-Prozent-Ziel noch nicht ausreichend gestärkt hätten und deswegen weitere entschlossene Schritte nötig seien. Für weitere deutliche Zinserhöhungen plädiert nicht zuletzt auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel (siehe Interview auf Seite 7).
Auch EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel warnte am Dienstag vor einer voreiligen Entwarnung wegen der zuletzt rückläufigen Inflation. „Das Momentum der Inflation bleibt hoch“, sagte sie am Dienstagabend bei einem Webinar der Bürgerbewegung Finanzwende. Das gelte vor allem bei Dienstleistungen. Sie warnte insbesondere auch, dass die „überwiegend ungezielten“ Fiskalmaßnahmen der Euro-Staaten „mittelfristig inflationär“ wirken dürften. Schnabel erklärte zudem, dass der Rückgang der Inflation zuletzt noch nicht auf die bisherigen Zinsschritte der EZB zurückgehe.