Konjunktur

Verpatzter Jahresstart für den deutschen Einzelhandel

Der deutsche Einzelhandel hat im Januar die Erlöse überraschenderweise nicht steigern können. Dass die Reallöhne 2023 erstmals seit Jahren wieder zugelegt haben – wenn auch nur minimal –, sorgt indes für Hoffnung.

Verpatzter Jahresstart für den deutschen Einzelhandel

Verpatzter Jahresstart im Handel

Umsätze fallen im Januar überraschend – 2023 größtes Nominallohnplus seit 2008

ba Frankfurt

Der deutsche Einzelhandel hat den Jahresstart verpatzt: Die Umsätze sind im Januar überraschend gesunken; nur wegen der Preissteigerungen zeigt sich im Jahresvergleich noch ein Zuwachs. Auch wenn die Verbraucher wegen steigender Löhne bei rückläufiger Inflation wieder mehr Geld in der Tasche haben: Die Konsumlaune verharrt im Tief, und es wird weiter so viel gespart wie in Krisenzeiten. Der Einzelhandel wird daher noch länger darben, und der Privatkonsum erweist sich eher als Wachstumsbremse denn als Motor der erhofften konjunkturellen Erholung.

Preiserhöhungen bringen Umsatzplus

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) haben die Einzelhandelsunternehmen im Januar kalender- und saisonbereinigt sowohl nominal, also ohne Berücksichtigung der Inflation, als auch real  (preisbereinigt) 0,4% weniger umgesetzt als im Dezember. Ökonomen hatten hingegen mit einem Wachstum von 0,5% gerechnet. Im Jahresvergleich verzeichnete der Einzelhandel ein reales Umsatzminus von 1,4%. Wegen der Preiserhöhungen ergibt sich aber ein nominales Umsatzplus von 1,6%, wie die Wiesbadener Statistiker betonten.

„Der Einzelhandel setzt seinen Krisenkurs fort“, kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Für eine Umsatzwende müssten die Verbraucher erst einmal ihre schlechte Laune abschütteln – wonach es auch wegen der verunsichernden Wirtschaftspolitik vorerst nicht aussehe.

Im Januar liefen die Geschäfte vor allem im Internet- und Versandhandel, der während der Corona-Pandemie geboomt hatte, deutlich schlechter: Destatis weist hier einen Rückgang um real 2,8% im Jahresvergleich aus. Der Einzelhandel mit Nicht-Lebensmitteln insgesamt verzeichnete ein Minus von 2,1%. An Lebensmitteln hingegen wurde nicht mehr ganz so kräftig gespart: Der Lebensmitteleinzelhandel erlöste 0,5% weniger als im Januar 2023.

Lichtblick höhere Reallöhne

Für etwas Zuversicht könnte die Reallohnentwicklung sorgen, die 2023 erstmals seit 2019 wieder positiv war – wenn auch nur leicht mit einem Plus von 0,1% im Vergleich zum Vorjahr. Der Nominallohnindex hingegen hat um 6,0% zum Vorjahr zugelegt, wie Destatis ebenfalls am Donnerstag mitteilte. Dies war der stärkste Nominallohnanstieg seit 2008. Die Statistiker führen ihn vor allem auf die Inflationsausgleichsprämie, also die steuer- und abgabefreie Zahlung von bis zu 3.000 Euro je Arbeitnehmer, sowie die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro im Oktober 2022 zurück. Die Verbraucherpreise stiegen im selben Zeitraum um 5,9%. „Während im Jahr 2020 insbesondere der vermehrte Einsatz von Kurzarbeit zur negativen Nominal- und Reallohnentwicklung beigetragen hatte, zehrte 2021 und 2022 die hohe Inflation den Nominallohnanstieg auf“, erklärten die Statistiker zudem.

In diesem Jahr dürfte die Kaufkraft weiter zunehmen: „Wir sollten dieses Jahr den stärksten Anstieg der Reallöhne seit 2015 sehen“, zitiert Reuters den ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. „Bei einer Inflationsrate von rund 3% und einem Nominallohnwachstum von 4 bis 5% stehen für Arbeitnehmer gute Zeiten an.“ Zuletzt zeigte die Tendenz schon deutlich nach oben: Im vierten Quartal 2023 legten die Reallöhne um 1,8% zu. Allerdings erwartet Brzeski trotz der steigenden Kaufkraft keinen Konsumboom: „Dem Konsum wird das kaum helfen, da Angstsparen wohl wieder zunehmen wird.“ 

Schon in den vergangenen Monaten haben die Verbraucher so viel gespart wie zuletzt zu Zeiten der globalen Finanzkrise 2008/2009, größere Anschaffungen werden bereits seit Mitte 2022 nur zaudernd getätigt. So wird das GfK-Konsumklima für März nur minimal besser prognostiziert als im Februar. „Die Konsumenten sind stark verunsichert“, erklärt dazu NIM-Konsumexperte Rolf Bürkl. Neben den nach wie vor steigenden Preisen dürften sicherlich schwächere Konjunkturprognosen für die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr ein wichtiger Grund dafür sein. Der Einzelhandelsverband HDE warnt daher auch, dass in diesem Jahr „nochmals 5.000 Geschäfte ihre Türen für immer schließen“ könnten. Nach der HDE-Prognose dürften in den Jahren 2020 bis Ende 2024 insgesamt 46.000 Geschäfte aufgegeben haben.

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