IWF-Finanzchefvolkswirt Adrian

„Vertrauen ist so wichtig wie Kapital“

IWF-Finanzchefvolkswirt Tobias Adrian stellt Fortschritte bei der Resilienz von Banken fest. Gleichzeitig warnt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung jedoch auch vor Risiken für die Finanzstabilität.

„Vertrauen ist so wichtig wie Kapital“

„Vertrauen ist so wichtig wie Kapital“

IWF-Cheffinanzvolkswirt Adrian stellt Fortschritte bei der Resilienz von Banken fest

fed/mpi Frankfurt

Das internationale Finanzsystem hat den schnellen Zinsanstieg insgesamt gut verkraftet, auch wenn es Risiken für die Finanzstabilität gibt, urteilt IWF-Cheffinanzvolkswirt Tobias Adrian. „Banken haben auf der Aktivseite einige Probleme, aber im Einlagengeschäft wird mehr Geld verdient, was sich in höheren Marktbewertungen spiegelt“, sagt der Ökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Das ist sehr gut für die Resilienz der Banken.“

Der IWF betrachtet für die Beurteilung der Resilienz nicht nur die Höhe des aufsichtsrechtlichen Kapitals, sondern auch die Marktbewertungen. Denn wenn die Marktteilnehmer das Vertrauen in ein Institut verloren haben, nützten auch hohe Kapitalpuffer nichts. „Credit Suisse ist ein Beispiel, wo im Grunde viel regulatorisches Kapital vorhanden war, aber kein Vertrauen des Markts mehr in das Geschäftsmodell“, sagt Adrian. „Aber: Vertrauen ist so wichtig wie Kapital.“

Risiko Gewerbeimmobilienfinanzierungen

Die durch den Zinsanstieg höhere Profitabilität vieler Banken und das dadurch gestiegene Vertrauen der Märkte sei deshalb sehr gut für die Resilienz. Für Banken mit einem hohen Anteil an Gewerbeimmobilienfinanzierungen in ihren Büchern, oder Staatsanleihen, die noch zur Niedrig-Zins-Zeit emittiert wurden, ist das höhere Zinsniveau aber durchaus zur Herausforderung geworden.

„Einzelne Institute weisen eine niedrige Profitabilität aus, bei anderen fällt die niedrige Qualität des Kreditbuchs auf“, sagt Adrian. „Es gibt die Gefahr, dass solche Banken bei externen Schocks schnell unter Druck geraten.“

Auch mit Blick auf die globale Staatsverschuldung macht Adrian Risiken für die Finanzstabilität aus. Die Verschuldung hat sich in den vergangenen 20 Jahren fast verdoppelt. Gleichzeitig schwächt sich das Weltwirtschaftswachstum ab.

„Wenn die Zinsen höher sind als die Wachstumsraten, dann ist das ein Problem für Staaten mit hoher Verschuldung“, sagt Adrian. „Wahrscheinlich ist alles okay, aber es gibt Szenarien, wo die hohe Staatsverschuldung sehr unbequem werden könnte.“

Fragmentierung bedroht Finanzstabilität

Ein solches Szenario könnte dem IWF-Finanzchefvolkswirt zufolge ein Anstieg der Risikoprämien aufgrund wachsender geopolitischer Spannungen sein. Oder auch unerwartete Leitzinserhöhungen, welche die Notenbanken als Reaktion auf einen neuerlichen exogenen Schock beschließen.

Mit dem Ausbruch der Pandemie und kurz darauf der Energiekrise als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hatte es in der jüngeren Vergangenheit gleich zwei solcher exogenen Schocks gegeben. Allerdings wirkte die Pandemie im Gegensatz zum Ausbruch des Krieges in Europa deflationär.

Die Finanzmärkte könnten zudem Adrian zufolge Schocks künftig eventuell schlechter absorbieren aufgrund der geopolitischen Spannungen. „Die Fragmentierung hat einen stark negativen Einfluss auf die Effizienz der Kapitalmärkte.“ Zudem sinke die Liquidität. „In der Folge droht die Finanzstabilität schwächer zu sein.“


Das vollständige Gespräch lesen Sie hier.

Im Gespräch Seite 8