Villeroy de Galhau warnt vor zu restriktiver Geldpolitik
Villeroy de Galhau warnt vor zu restriktiver Geldpolitik
EZB-Ratsmitglied hält zweite Zinssenkung im Juli für möglich
mpi Paris
Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau warnt die Notenbank davor, die Zinsen im Euroraum zu spät zu senken. „Neben der Gefahr einer vorzeitigen Lockerung und Verfehlung unseres Inflationsziels ‚von oben‘ ist die Gefahr, zu spät zu senken und das Ziel ‚von unten‘ zu verfehlen, mittlerweile mindestens genauso groß“, mahnt er im Interview der Börsen-Zeitung. Die jüngsten Daten zum kräftigen Wachstum der Tariflöhne im ersten Quartal bereiten dem Franzosen keine Sorgen. Das Lohnwachstum liege vor allem an Einmalzahlungen in Deutschland. In vielen anderen Ländern der Eurozone verlangsame sich der Anstieg dagegen bereits.
Eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) Anfang Juni steht so gut wie fest, wie auch Villeroy de Galhau im Interview bestätigt. „Sofern es keine Überraschung gibt, ist die erste Zinssenkung im Juni beschlossene Sache, aber danach haben wir mehrere Freiheitsgrade.“ Wie schnell die zweite Zinssenkung folgen soll, darüber gibt es im EZB-Rat unterschiedliche Ansichten. „Ich lese manchmal, dass wir die Zinsen nur einmal im Quartal senken sollten, wenn neue EZB-Prognosen vorliegen, und daher den Juli ausschließen sollten“, sagt der französische Notenbankpräsident. Von diesem Vorgehen hält er wenig. „Ich sage nicht, dass wir uns auf den Juli festlegen sollten, aber wir sollten hinsichtlich des Zeitpunkts und des Tempos unsere Freiheit behalten.“ Insgesamt hält er nach derzeitigem Stand die Markterwartungen an die künftige Geldpolitik der EZB für „nicht unangemessen“. An den Finanzmärkten sind für 2024 derzeit zwei bis drei Zinssenkungen um 25 Basispunkte eingepreist.
Villeroy de Galhau gegen Forward Guidance
Eine Rückkehr zur Forward Guidance lehnt Villeroy de Galhau ab. Dafür sei die Weltlage inzwischen zu unvorhersehbar geworden, auch wenn er mittlerweile wieder mehr Vertrauen in die Prognosen der Notenbank hat. Dennoch könne die EZB Hinweise darauf geben, welche Aspekte für die Steuerung ihrer Geldpolitik besonders wichtig seien. Für den Franzosen sind das drei „Kompasse“. Erstens seien die Inflationsprognosen mindestens genauso wichtig wie die aktuellen Wirtschaftsdaten. Zweitens seien die europäischen Daten bedeutsamer als die US-Daten. „Die US-Geldpolitik sollte unsere eigene Geldpolitik nicht so stark beeinflussen.“ Drittens solle die EZB die Inflation im Dienstleistungssektor bei künftigen geldpolitischen Entscheidungen genau im Blick haben.
Das vollständige Interview gibt es hier in der deutschen Übersetzung und hier im englischen Original.
Interview Seite 8