Wachstumsschwäche schlägt auf Arbeitsmarkt durch
Wachstumsschwäche schlägt auf Arbeitsmarkt durch
Arbeitslosigkeit in Deutschland steigt deutlich – Zahl der Erwerbstätigen wächst kaum noch
lz Frankfurt
Der deutsche Arbeitsmarkt, der wegen des enormen Fachkräftemangels Konjunkturflauten bisher einfach weggesteckt hat, scheint inzwischen empfindlicher geworden zu sein. Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im August im Vergleich zum Juli saisonbedingt um 63.000 auf knapp 2,9 Millionen gestiegen. Im Vergleich zum August des Vorjahres liegt die Zahl damit um 176.000 höher, teilte die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg mit. Die Arbeitslosenquote stieg gegenüber Juli um 0,1 Punkte auf 6,1%.
Auch die Zahl der Beschäftigten in Deutschland steigt kaum noch. Im Juli waren rund 46 Millionen Personen mit deutschem Wohnort erwerbstätig, meldet das Statistische Bundesamt. Bereinigt um saisonale Verzerrungen waren das nur 5.000 mehr als im Vormonat. Im Juni kamen noch 9.000 und im Mai gar 21.000 Personen dazu.
Nachfrage nach Arbeitskräften schwindet
Das Niveau der Erwerbstätigkeit in Deutschland ist damit gleichwohl noch sehr hoch, wie der Vorjahresvergleich zeigt. Gegenüber dem Vorjahresmonat liegt die Zahl der Erwerbstätigen um 165.000 oder 0,4% höher. Diese über Jahre anhaltende positive Entwicklung könnte jetzt jedoch vorerst zum Stillstand gekommen sein, nachdem viele Branchen über Auftragsmangel klagen und sich Konsumenten und Investoren insgesamt so zurückhalten wie lange nicht mehr.
„Der Arbeitsmarkt bekommt weiter die Folgen der wirtschaftlichen Stagnation zu spüren. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung haben in der Sommerpause weiter zugenommen“, sagte die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Andrea Nahles. Auch die Nachfrage nach Arbeitskräften in den Betrieben geht zurück. Im August waren den Angaben zufolge 699.000 offene Stellen bei den Arbeitsagenturen gemeldet. Das sind 72.000 weniger als vor einem Jahr.
Kurzarbeit steigt
Zudem geht die Kurzarbeit ebenfalls nach oben. Verlässliche Daten für die tatsächliche Inanspruchnahme von Kurzarbeit liegen bis Juni vor. In diesem Monat zahlte die Bundesagentur für 232.000 Beschäftigte konjunkturelles Kurzarbeitergeld. Im Mai waren es 215.000 im April 223.000.
Weniger Neueinstellungen
Dass sich die Unternehmen in Deutschland angesichts der hartnäckigen Konjunkturflaute inzwischen so vorsichtig bei ihrer Personalplanung zeigen wie seit dreieinhalb Jahren nicht mehr, signalisiert auch das Beschäftigungsbarometer. Es sank im August auf 94,8 Punkte, nach 95,3 Punkten im Juli, wie das Münchner Ifo-Institut bei der Auswertung seiner Umfrage unter Tausenden Betrieben darlegt. Dies ist bereits der dritte Rückgang in Folge und der niedrigste Wert seit Februar 2021.
„Die schwache Wirtschaftsentwicklung schlägt sich auch in einer schwachen Beschäftigungsentwicklung nieder“, erklärte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe den negativen Trend. „Der Auftragsmangel bremst die Unternehmen bei Neueinstellungen.“
Die Chefvolkswirtin der KfW, Fritzi Köhler-Geib, hält es sogar für möglich, dass die aktuellen Arbeitslosenzahlen noch höher ausgefallen wären, wenn es den Facharbeitermangel nicht gäbe. „Wegen des Fachkräftemangels zögern Unternehmen mit Entlassungen“, schreibt sie. Das verhindere einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit. Eine merkliche konjunkturelle Beschleunigung erwartet sie erst für das nächste Jahr. Aber auch dann werde der Aufschwung moderater ausfallen als in früheren Erholungsphasen.
Der deutschen Wirtschaft machen derzeit eine Dauerflaute und massive strukturelle Probleme zu schaffen. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im zweiten Quartal um 0,1%, nachdem es in den ersten drei Monaten des Jahres noch zu einem Wachstum von 0,2% gereicht hatte.
Demografie erschwert Erholung
Aber auch aus demografischen Gründen dürfte es in Deutschland immer schwerer werden, die Zahl der Erwerbstätigen noch zu steigern: Starke Jahrgänge (Babyboomer) wechseln die nächsten Jahre in das Rentenalter. Insofern haben die Unternehmen vermehrt Probleme, frei werdende Stellen neu zu besetzen. Denn die nachfolgenden Jahrgänge sind zahlenmäßig schlicht viel weniger. Neben einer höheren Migration setzt die Wirtschaft daher auf noch mehr Automatisierung etwa durch Roboter und hoffen zudem auf die Segnungen der Künstlichen Intelligenz (KI), die viele Jobs übernehmen oder zumindest produktiver machen könnte.