Im Interview: Alexander Jakschik, VDMA Ost

„Weltoffenheit ist ein ganz wichtiger Faktor“

Am 22. September wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Wie in Thüringen könnte auch im größten der neuen Bundesländer die AfD stärkste Kraft werden. Für die exportorientierte Maschinenbaubranche, die auch im Osten als wichtiger Arbeitgeber gilt, wäre das ein Problem. Sie sieht sich durch die Politik extremistischer rechter Parteien in ihrem Geschäftsmodell gefährdet, sagt Alexander Jakschik, Chef beim VDMA Ost.

„Weltoffenheit ist ein ganz wichtiger Faktor“

Im Interview: Alexander Jakschik

„Weltoffenheit ist ein ganz wichtiger Faktor“

Der Chef des VDMA Ost warnt vor den Folgen von politischem Extremismus für exportorientierte Industrien

Die AfD gewinnt in im Osten Deutschlands immer mehr Zuspruch. In Thüringen ist sie bereits stärkste Kraft. Für die exportorientierte Maschinenbaubranche, die auch im Osten als wichtiger Arbeitgeber gilt, ist diese Entwicklung ein Problem. Die Unternehmen sehen sich durch die Politik extremistischer rechter Parteien in ihrem Geschäftsmodell gefährdet, sagt Alexander Jakschik, Chef beim VDMA Ost.

Herr Jakschik, Sachsen und Thüringen haben vor drei Wochen gewählt, an diesem Wochenende entscheidet Brandenburg über die Zusammensetzung seines Parlaments. Sie sagen, dass der industrielle Mittelstand einen großen Anteil an der jüngsten wirtschaftlichen Transformation in dem Bundesland hat. Können Sie das genauer erläutern?

Der Osten Deutschlands hat sich seit den 90er Jahren ja insgesamt wirtschaftlich aufwärts entwickelt. Nachdem es im Rahmen der Wende zu zahlreichen Umbrüchen kam, haben sich viele Menschen selbständig gemacht und Unternehmen gegründet, die in den vergangenen Jahren dazu beigetragen haben, dass sich in den neuen Bundesländern eine gute, solide Mittelstandsstruktur entwickelt hat. Da gehört Brandenburg dazu, da gehören aber auch die anderen Ostländer mit dazu. Wir im VDMA Ost vertreten mittlerweile 350 Mitgliedsfirmen, viele davon aus der Zulieferindustrie oder aus der Automobilindustrie. Die Firmen leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaftskraft von Gesamtdeutschland, und sie haben sich im Rahmen der Transformation auf die sich verändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, auf die Digitalisierung sowie die Energiewende eingestellt.

Was zeichnet das Bundesland Brandenburg, aber auch den gesamten deutschen Osten als Standort für Industriebetriebe aus? 

Zum einen bietet die Region – im Gegensatz zu stark prosperierenden Bundesländern wie beispielsweise Baden-Württemberg – rein flächentechnisch noch großes Potenzial. Zum anderen finden wir hier eine gute Ausbildungsstruktur vor, die sich viele Firmen in der Vergangenheit auch schon zunutze gemacht haben. In Dresden existiert beispielsweise ein breites Fachwissen im Bereich Mikroelektronik, woraus verschiedene neue Wirtschaftszweige entstanden sind. Die Menschen sind nicht nur inhaltlich gut ausgebildet, sie legen mit Blick auf ihre Vergangenheit auch oft eine besondere Kreativität und Machermentalität an den Tag – immerhin mussten sie 40 Jahre lang in einer gewissen Mangelwirtschaft zurechtkommen. Da sind viele kreative Lösungen entstanden. 

Mit welchen standortspezifischen Problemen muss der Mittelstand und der Maschinenbau im Osten denn heute zurechtkommen – und wie lassen sich die Schwierigkeiten beheben? 

Wenn man auf die Zahlen schaut, ist es so, dass die Wirtschaftsleistung im Osten noch nicht vollständig auf dem Niveau des Westens angekommen ist. Das bedeutet, es muss nach wie vor investiert werden, zum Beispiel in die Infrastruktur. Die Ausbildung muss zudem auf einem hohen Niveau gehalten und gefördert werden. Der Fachkräftemangel ist darüber hinaus ein weiterer wichtiger Punkt. In Sachsen, wo ich herkomme, fehlen uns bis 2030 aufgrund des demografischen Wandels knapp 20% der Arbeitskräfte. Das ist eine Herausforderung, die aktiv angegangen werden muss.

In Thüringen ist die AfD stärkste Kraft geworden, dasselbe könnte ihr auch in Brandenburg gelingen. Was ist aus Sicht des Mittelstands von der Partei in Sachen Industriepolitik zu erwarten? 

Der gesamtdeutsche Maschinenbau exportiert ja 80% seiner Produkte, in Ostdeutschland sind es 60%. Ein Teil unseres Geschäftsmodells ist also der Kontakt und Handel mit anderen Ländern – Weltoffenheit ist damit ein ganz wichtiger Faktor. Und da sind extremistische rechte Parteien, die sich dem verschließen und die ein Klima der Angst verbreiten, einfach der falsche Weg. Unsere Kunden und Partner aus dem Ausland beäugen das durchaus kritisch, und sie fragen sich, was dieses gesellschaftliche Abrücken von der demokratischen Mitte für die Verlässlichkeit Deutschlands bedeutet. Die Fachkräfte, die wir brauchen, können sich heutzutage aussuchen, wo sie hingehen. Und sie gehen natürlich dorthin, wo sie sich willkommen fühlen. Wir sehen hier tatsächlich unser Geschäftsmodell gefährdet, und wir müssen dem entgegenwirken.

Wie kann man dem entgegenwirken? Sehen Sie die Firmen auch selbst in der Pflicht, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken? 

Wir sind sicherlich für vieles zuständig, im Wesentlichen sind wir aber dafür zuständig, dass unsere Geschäftsmodelle erhalten bleiben. Wenn unsere Exportstärke gefährdet ist, dann ist das letztlich ein wichtiges Thema für unsere Unternehmen, und da müssen wir unsere Stimme erheben und uns an mehrere Akteure wenden. Wir müssen auf Ebene der Landespolitik und der Bundespolitik dafür sorgen, dass die richtigen wirtschaftspolitischen Akzente gesetzt werden. Wenn das nicht passiert, kommt es zu den sogenannten Denkzetteln, die die Bürger der Regierung durch die Wahl extremistischer Parteien verpassen. Gleichzeitig ist es wichtig, unsere Mitarbeiter und unser Umfeld aufzuklären, was die Wahl extremistischer Parteien am Ende für uns bedeutet.

Haben Sie schon von Unternehmen gehört, die eine Abwanderung aus dem Osten in den Westen in Erwägung ziehen, für den Fall, dass sich die extremen rechten Parteien in den Parlamenten noch mehr breitmachen? 

Das habe ich so noch nicht gehört. Die immer höheren Wahlergebnisse der AfD werden natürlich durchaus kritisch betrachtet. Die meisten vertrauen aber auf die Demokratie und die politischen Strukturen. Die Unternehmer wollen zudem verstehen, was hinter der aktuellen Entwicklung steckt, warum der politische Zuspruch für die extreme Rechte immer größer wird. Aber Abwanderung steht so direkt im Moment noch nicht im Raum. 

Wie wird es aus Ihrer Sicht mit der Industrie in Ostdeutschland weitergehen? Wird den neuen Bundesländern auf lange Sicht noch die vollständige wirtschaftliche Angleichung gelingen? 

Hierzu ein ganz klares Ja. Der Osten hat sich in den letzten Jahren wirtschaftlich schon sehr gut entwickelt. Es sind viele tolle Unternehmensgründungen erfolgt, die Forschungslandschaft hat sich erweitert, es wurde viel in Infrastruktur investiert, und es haben sich Großkonzerne wie beispielsweise Tesla in Brandenburg oder Jenoptik und Horsch in Thüringen angesiedelt. Die Chipindustrie in Dresden steht hervorragend da. Man hat insgesamt eine wirklich gute Standortpolitik für den Maschinenbau in den letzten Jahren betrieben. Und da ist noch mehr drin. Man darf nur nicht jetzt damit aufhören.

Das Interview führte Karolin Rothbart.

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