Wie Berlin Start-up-Deutschland noch einen Schub versetzen will
Wie Berlin „Start-up-Deutschland“ einen Schub versetzen will
Manchmal hat man den Eindruck, dass die aktuelle Bundesregierung sich bei den großen Zukunftsthemen nicht mehr zusammenraufen kann. Dies gilt allerdings nicht für die Start-up-Finanzierung, also die Förderung von Unternehmensgründungen sowie des dafür nötigen Wagniskapitals (Venture Capital). Dieses wichtige Anliegen hatte schon im Koalitionsvertrag einen prominenten Platz und wurde dann im letzten Jahr durch die Verabschiedung des Zukunftsfinanzierungsgesetzes klar platziert.
Dabei muss man sich vor Augen führen, dass es Deutschland in den letzten 25 Jahren seit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes, der Dotcom-Euphorie, nicht mehr gelang, entsprechende Investitionen anzulocken beziehungsweise zu fördern. Noch in den 1990er Jahren war Deutschland dagegen einer der führenden Start-up-Standorte und konnte im europäischen und transatlantischen Wettbewerb gut bestehen. Doch neben dem Zusammenbrechen der Blase hat das fehlende Interesse nationaler Anleger an Aktieninvestitionen, nicht zuletzt im Zusammenhang mit Themen wie Altersvorsorge oder Vermögensaufbau, in der Folge dazu geführt, dass sowohl große Nachbarn, etwa das Vereinigte Königreich oder Frankreich, als auch kleine lebendige Ökosysteme, wie Luxemburg, uns weitgehend abgehängt haben.
Gemessen am Bruttoinlandsprodukt wird in den USA heute mindestens dreimal so viel in Start-ups investiert wie in Deutschland. Klar, ein Grund dafür sind die zahlreichen Silicon Valley-Millionäre, die gelernt haben, wie attraktiv solche Investments sein können. Ein deutsches Silicon Valley ist jedoch nicht so abwegig, wie es scheint. Gerade die Vernetzung von technischen Universitäten beziehungsweise naturwissenschaftlichen Fakultäten, international aufgestellten Business Schools und Corporate Venture Capital in Regionen wie Berlin-Brandenburg, Rhein-Main oder München bieten hierfür zahlreiche Ansatzpunkte.
In diesem Zusammenhang war das erste Zukunftsfinanzierungsgesetz ein guter Start. Auf der einen Seite wurde der Kapitalmarktzugang gestärkt, das Kapitalmarktrecht liberalisiert sowie flexibilisiert und insgesamt, etwa bei der Förderung von Mitarbeiterbeteiligungen, wichtige Mosaiksteine für Wachstumsunternehmen bedacht. Doch angesichts des aktuell schwachen M&A-Marktes, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, und der andauernden Flaute bei Börsengängen, sind Auswirkungen zumindest derzeit noch nicht spürbar.
Ampelkoalition liefert
Umso begrüßenswerter ist es, dass die Bundesregierung – und hier ziehen tatsächlich alle Parteien der Ampelkoalition an einem Strang – diese Initiative jetzt mit dem zweiten Zukunftsfinanzierungsgesetz weiter vorantreiben will. Dabei haben wir eines gelernt: Gesetze allein können in der Regel wenig bewegen!
Entscheidend ist, dass das Ökosystem insgesamt, die Stimmung beziehungsweise der „Flow“ in der Start-up-Community erreicht werden. Und dies könnte nun funktionieren. Parallel zu dem Referentenentwurf wurde von zentralen Akteuren in der Regierung wie Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner, gemeinsam mit der KfW, der Finanzwirtschaft sowie der Wissenschaft, beispielsweise der Frankfurt School, eine Initiative mit der programmatischen Überschrift „WIN“ gestartet.
Entbürokratisierung geplant
Dabei sind die einzelnen Elemente des Gesetzes alle für die Stärkung des Finanzplatzes wichtig. Zu nennen sind etwa die künftig zulässige deutschsprachige Zusammenfassung von Prospekten, die Vereinfachungen für prospektfreie öffentliche Angebote, oder die Flexibilität beim Nennwert von Aktien.
Begleitet wird dies durch zahlreiche steuerliche Erleichterungen für Venture-Capital-Fonds, Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien sowie die Flexibilisierung des Investmentsteuerrechts. In eine ähnliche Richtung geht auch die angedachte Entbürokratisierung im Hinblick auf die Aufsichtsbefugnisse der BaFin und der gelockerte Kündigungsschutz in der Finanzwirtschaft für sogenannte „Risikoträger“ mit erheblichen Einkommen.
Doch das Entscheidende ist etwas anderes. Sowohl der Gesetzesentwurf als auch die WIN-Initiative zeigen: Die „traditionelle“ Industrienation Deutschland will nicht den Anschluss an die globale Gründungs- und Start-up-Community verlieren.
Unternehmen, die in Deutschland gegründet wurden, sollen hier Wachstums- und später eben auch Expansionskapital zu attraktiven Konditionen aufnehmen können und nicht mehr gezwungen werden, wie so oft in der Vergangenheit, bei der zweiten oder dritten Finanzierungsrunde in die USA zu gehen. Dies sei der richtige Ansatz, er gehe aber noch nicht weit genug, so zumindest die Kritik aus den verschiedenen Branchenverbänden. Einigkeit besteht hingegen insoweit, als das Start-up-Ökosystem als wichtiger zentraler Standortfaktor gesehen wird. Dabei ziehen alle Stakeholder an einem Strang.
Signal für Finanzplatz
Insoweit ist das „Zweite Zukunftsfinanzierungsgesetz“ vor allem ein Signal für den Finanzstandort Deutschland und wichtig ist vor allem – es kommt zur richtigen Zeit.