Monika Schnitzer

„Wir sind als Land insgesamt ärmer geworden“

Die vierte Coronawelle hat die Erholung der deutschen Wirtschaft gestoppt. Jetzt ist die Hoffnung groß, dass mit Lockerungen der Aufschwung zurückkommt. Ein Interview mit der Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer über Chancen und Risiken.

„Wir sind als Land insgesamt ärmer geworden“

Frau Professor Schnitzer, wenn künftig die Coronamaßnahmen allmählich gelockert werden – wird die deutsche Wirtschaft dann wieder richtig durchstarten oder werden Faktoren wie Lieferengpässe und hohe Energiepreise die Aktivität weiter dämpfen?

Die Omikron-Welle hat den privaten Konsum zum Jahresende gebremst. Die Kaufzurückhaltung wird mit der Lockerung der Maßnahmen zurückgehen, zumal es inzwischen weniger Lieferengpässe im Einzelhandel gibt. Insgesamt hellen sich die Erwartungen in der Wirtschaft auf, die Materialengpässe haben sich verringert. Trotzdem gibt es weiter Risiken, beispielsweise, dass es in China durch die Omikron-Variante zu Werksschließungen kommt und die Lieferschwierigkeiten wieder zu­nehmen. Die Frachtzeiten auf dem Seeweg sind nach wie vor sehr hoch, seit Be­­ginn der Pandemie haben sie sich verdoppelt. Auch die hohen Energiepreise dürften die Erholung dämpfen.

Tatsächlich werden vor allem die Energiepreise und die hartnäckig hohe Inflation immer mehr zum Problem. Sollte die Politik da für Entlastung sorgen und wenn ja, wie konkret? Was halten Sie beispielsweise vom Vorschlag, dass der Staat Obergrenzen für Preiserhöhungen vorschreibt?

Die hohen Energiepreise sind vor allem auf die gestiegenen Importpreise zurückzuführen. Das heißt im Klartext: Wir sind als Land insgesamt ärmer geworden. Deshalb sollte man vor allem denjenigen helfen, die be­sonders bedürftig sind, am besten durch eine Einmalzahlung. Eine Er­höhung der Pendlerpauschale oder eine Senkung der Mehrwertsteuer sind wenig zielführend, weil sie auch die Besserverdienenden entlasten, auf Kosten der Allgemeinheit. Ähnlich ist es, wenn man die Preiserhöhungen beschränkt. Die hohen Im­portpreise müssen ja trotzdem ge­zahlt werden. Ein kleinerer Teil der gestiegenen Energiepreise geht auf die im letzten Jahr eingeführten CO2-Preise­ im Bereich Wärme und Verkehr zurück. Diese Einnahmen sollte man den Haushalten zurückgeben, über die Strompreise durch Senkung der EEG-Umlage und der Stromsteuer oder als pauschale Rückerstattung.

Sollte die EZB angesichts der hohen Inflation ihre Zinswende rascher vollziehen?

Die EZB steht vor der schwierigen Aufgabe, die Inflation mittelfristig bei 2% zu halten, gleichzeitig aber nicht durch eine Zinserhöhung die wirtschaftliche Erholung abzubremsen. Wichtig ist deshalb das Signal, dass sie zu Zinserhöhungen bereit ist, sobald die Lage es erfordert, weil so die Inflationserwartungen eingehegt werden. Die EZB schließt nicht mehr aus, dass es schon in diesem Jahr eine Zinserhöhung geben wird. Auch das halte ich für ein richtiges Signal.

Sollte die Fiskalpolitik aktuell mehr tun, um die Wirtschaft zu unterstützen? Was halten Sie von Forderungen nach Steuersenkungen?

Ich sehe die Notwendigkeit nicht. Die Auftragsbücher der Unternehmen sind nach wie vor gut gefüllt, das Problem ist vielmehr, dass die Unternehmen mit der Produktion nicht hinterherkommen wegen der Lieferengpässe. Das sollte sich bald auflösen.

Bei den avisierten „Superabschreibungen“ ist umstritten, ob sie nötig sind und wann sie kommen sollten. Wie schätzen Sie das ein?

Im Koalitionsvertrag wurden solche Superabschreibungen als Fördermöglichkeit für Investitionen in den Klimaschutz und in digitale Wirtschaftsgüter genannt. Diese Investitionen zu beschleunigen ist sicher sinnvoll.

Die Fragen stellte Mark Schrörs.