Großbritannien vor der Wahl

Bank of England will nicht anecken

Die Bank of England hat den Leitzins vor der Unterhauswahl auf 5,25% belassen. Dabei hat die Inflation den Zielwert von 2,0% schon erreicht.

Bank of England will nicht anecken

Bank of England will nicht anecken

Unterschiedliche Ansichten zur Hartnäckigkeit der Dienstleistungsinflation – Leitzins wird bei 5,25 Prozent belassen

hip London

Die Bank of England hat den Eindruck vermieden, zugunsten der Tories in den Wahlkampf einzugreifen. Das geldpolitische Komitee beließ den Leitzins bei 5,25%, obwohl das Inflationsziel der Notenbank im vergangenen Monat erreicht wurde. Am Markt wird nun mit einer ersten Zinssenkung im August gerechnet.

Die Geldpolitiker der Bank of England haben den Leitzins das siebte Mal in Folge auf 5,25% belassen. Dabei ist die Teuerungsrate bereits auf den Zielwert der Notenbank von 2,0% gesunken. Wie dem Protokoll der Sitzung des geldpolitischen Komitees (Monetary Policy Committee, MPC) zu entnehmen ist, stimmten sieben der neun Mitglieder dafür, den Status quo beizubehalten.

Seit August vergangenen Jahres bewegt sich der Leitzins auf dieser Höhe. Dieses Niveau wurde zuletzt 2008 erreicht. Swati Dhingra und Dave Ramsden votierten wie schon bei der vorangegangenen Sitzung für eine Senkung um 25 Basispunkte. Hätte sich eine Mehrheit für einen Zinsschritt nach unten gefunden, wäre das von der Opposition vermutlich als Wahlkampfhilfe für die Regierung gewertet worden. Am 4. Juli wird im Vereinigten Königreich ein neues Unterhaus gewählt.

„Ungemütlich hoch“

Wie das Statistikamt ONS am Vortag mitgeteilt hatte, ging die Teuerungsrate im Mai von 2,3% auf 2,0% zurück. Dazu trugen vor allem niedrigere Energie- und Lebensmittelpreise bei. Die Kernrate verringerte sich von 3,9% auf 3,5%. Die Dienstleistungsinflation schwächte sich von 5,9% auf 5,7% ab. Sie gilt als bester Indikator für die eigentliche Inflation und blieb aus Sicht von Tomasz Wieladek, Europa-Chefvolkswirt von T. Rowe Price, „ungemütlich hoch“.

Die Notenbank hatte im jüngsten Inflationsbericht für Mai lediglich eine Dienstleistungsinflation von 5,3% angesetzt. Der Rückgang der Teuerungsrate auf 2,0% sei „derzeit nicht nachhaltig“, kommentierte der HSBC-Volkswirt Chris Hare. Sie werde im Jahresverlauf wieder steigen, wenn die Entlastung bei den Energiekosten nachlasse.

Entlastung bleibt aus

Ein niedrigerer Leitzins hätte vor allem Hypothekenschuldnern Entlastung gebracht, die ihr Immobiliendarlehen aus der Zeit der Niedrigzinsphase noch nicht refinanzieren mussten. Sie hätten auf niedrigere Monatsraten hoffen dürfen. Am Finanzmarkt wurde jedoch nur eine Wahrscheinlichkeit von 32% für eine Zinssenkung angesetzt. Die Mehrheit der Volkswirte ging ohnehin von einem unveränderten Leitzins aus.

„Das Komitee hält fest, dass das Timing der Parlamentswahlen am 4. Juli für seine Entscheidung bei dieser Sitzung nicht relevant gewesen ist“, heißt es im Protokoll. Die Zinsentscheidung sei „wie üblich auf Basis dessen getroffen worden, was für erforderlich gehalten wurde, um das Inflationsziel von 2,0% mittelfristig nachhaltig zu erreichen“.

Unterschiedliche Ansichten

Für einige der Befürworter des Status quo hat die Entscheidung dem Protokoll zufolge auf der Kippe gestanden („finely balanced“). Es gebe unter ihnen „eine Reihe von Ansichten“ darüber, was nötig wäre, um eine Zinssenkung zu rechtfertigen. Eine Seite wertet die hohe Dienstleistungsinflation als Beleg für Zweitrundeneffekte, die für hartnäckigen Aufwärtsdruck bei der Teuerung sorgen dürften.

Die andere Seite geht davon aus, dass sich darin die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns um ein Zehntel, die sich wohl nicht wiederholen wird, und schwankungsanfällige Komponenten widerspiegeln. Sie erwartet nicht, dass sich diese Faktoren mittelfristig auf die Inflation auswirken. Am Markt wird nun eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% für eine erste Zinssenkung im August eingepreist.

Jucken in den Fingern

Einigen MPC-Mitgliedern „juckt es in den Fingern“, kommentierte Neil Mehta, Portfoliomanager bei RBC Bluebay, die Entscheidung der Notenbank. „Sie stellen die Hartnäckigkeit der Dienstleistungsinflation, die zuletzt höher als erwartet ausfiel, infrage. Wir halten das für fehlgeleitet und gehen weiter davon aus, dass die Daten auf eine hartnäckige Inflation und eine steigende Nachfrage hindeuten werden.“ Das werfe die Frage auf, ob die Zinsen restriktiv genug seien.

Noch ein Faktor dürfte sich auf die kommende Sitzung auswirken. Statt des scheidenden Ben Broadbent, der sich vielleicht den Tauben angeschlossen hätte, nimmt erstmals Clare Lombardelli teil, über deren Vorstellungen wenig bekannt ist.

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