Optimismus in Großbritannien wackelt
Konjunkturoptimismus in Großbritannien wackelt
Einzelhandelsumsatz schrumpft im April – Verbraucher zücken seltener die Kreditkarte – Wohnimmobilienpreise stagnieren
hip London
Vor der Zinsentscheidung der Bank of England am Donnerstag sind noch ein paar Konjunkturdaten bekannt geworden, die nicht mit dem vielerorts verbreiteten Konjunkturoptimismus im Einklang stehen. Eine schnelle wirtschaftliche Erholung steht demnach nicht an, auch wenn die am Freitag erwarteten Daten zum Bruttoinlandsprodukt zeigen dürften, dass sich das Land aus der technischen Rezession herausgearbeitet hat, die das zweite Halbjahr 2023 prägte.
Helen Dickinson, CEO British Retail ConsortiumEin starker Einzelhandel ist für eine starke Wirtschaft unerlässlich. Es ist unbedingt notwendig, dass die nächste Regierung das erkennt, wenn sie die Investitionen in unsere Städte und Gemeinden voranbringen will.
Wie der britische Einzelhandelsverband BRC (British Retail Consortium) mitteilte, ist der Einzelhandelsumsatz im April um 4% gesunken. Barclaycard zufolge verlangsamte sich das Wachstum der per Kreditkarte getätigten Ausgaben. Der Hypothekenanbieter Halifax teilte mit, dass die Wohnimmobilienpreise im April um lediglich 0,1% stiegen. In bar ausgedrückt sind das weniger als 200 Pfund pro Objekt.
„Ein starker Einzelhandel ist für eine starke Wirtschaft unerlässlich“, sagte Helen Dickinson, Chief Executive des BRC. „Es ist unbedingt notwendig, dass die nächste Regierung das erkennt, wenn sie die Investitionen in unsere Städte und Gemeinden voranbringen will.“ Der Einzelhandel mache in jeder Region fast ein Zehntel der Beschäftigung aus. Bis Ende Januar 2025 müssen Unterhauswahlen abgehalten werden. Der Wahltermin steht noch nicht fest. Allerdings wird weithin mit einer Wahl im November gerechnet.
Hoffen auf Leitzinssenkung
„Schlechtes Wetter und enttäuschende Verkaufszahlen haben zu einem deprimierenden Frühlingsanfang für den Einzelhandel geführt“, sagte Dickinson. Obwohl die Unternehmen versucht hätten, die Verbraucher mit Rabatten zu ködern, hätten diese die typischen Frühjahrseinkäufe aufgeschoben. Viele hofften darauf, dass sich eine mögliche Leitzinssenkung positiv auf das Verbrauchervertrauen auswirkt.
Wie die US-Investmentbank Jefferies aus den Daten des Kreditkartenanbieters Barclaycard herausliest, zücken die Briten immer seltener die Kreditkarte, um nicht unbedingt nötige Einkäufe zu tätigen. Das Wachstum der nicht zwingend erforderlichen Ausgaben, die mit Plastikgeld getätigt wurden, bewegte sich im April mit 1,5% zum Vorjahresmonat auf dem niedrigsten Stand in 18 Monaten. Im März hatte es noch bei 1,6% gelegen.
Weniger Geld für Reisen
Knapp die Hälfte (49%) der Verbraucher versuchen, ihre Ermessensausgaben zurückzufahren. Sie gaben deutlich weniger für Reisen und Flugtickets aus als im März. Mehr als die Hälfte (54%) gab weniger für Gaststättenbesuche aus. Zwei Fünftel wollen vor dem Sommer nichts in Haus oder Garten investieren. Viele schieben Renovierungsvorhaben auf die lange Bank.
Jefferies wertet die Daten einerseits als Hinweis darauf, dass den Banken weniger Kreditausfälle ins Haus stehen. Andererseits sei das Wachstum der unbesicherten Verbraucherkredite schwächer. Das Gesamtvolumen der Kreditkartenschulden bewege sich immer noch um 8% unterhalb des Ende 2019 erreichten Niveaus.
Unterdessen stieg der Preis einer typischen Wohnimmobilie Halifax zufolge auf 288.949 Pfund. Anfang 2024 hatte er noch bei 287.244 Pfund gelegen. Aus Sicht von Amanda Bryden, die das Hypothekengeschäft bei dem Institut verantwortet, hat sich der Markt Anfang des Jahres stabilisiert. So sehe es vielleicht aus, sagt Sarah Coles, Head of Personal Finance bei Hargreaves Lansdown, aber wenn man sich die Daten etwas genauer ansehe, deuteten sie auf eine Schieflage hin.
Nord-Süd-Gefälle
Während die Preise im Norden des Landes steigen, sinken sie im Süden stetig. Der für eine zweijährige Hypothek im Schnitt geforderte Zins nahem von 5,8% im März auf 5,87% im April zu. „Das ist keine dramatische Bewegung, aber sie geht in die falsche Richtung“, sagt Coles. „Und sie kommt zu einer Zeit, in der Hausbesitzer mit sinkenden Hypothekenzinsen gerechnet haben.“ Im Süden sind die Preise höher. Deshalb müssen größere Hypotheken aufgenommen werden. Hohe Zinsen schmerzen mehr. Also sinkt die Nachfrage, und mit ihr stagnieren oder fallen die Immobilienpreise.