House of Lords

„Durchwursteln ist keine Option“

Der Wirtschaftsausschuss des Oberhauses hat schärfere Schuldenregeln gefordert. Sie sollen den Schuldenberg abtragen helfen.

„Durchwursteln ist keine Option“

„Durchwursteln ist keine Option“

Britisches Oberhaus fordert wesentlich schärfere Fiskalregeln, bevor die Staatsverschuldung untragbar wird

hip London

Das House of Lords fordert zwar keine Schuldenbremse wie in Deutschland. Doch der Wirtschaftsausschuss spricht sich in einem Bericht für einen Rahmen aus, der festlegt, um wie viel niedriger die Staatsverschuldung am Ende der Legislaturperiode sein soll.

Der Wirtschaftsausschuss des britischen Oberhauses hat in einem Bericht wesentlich schärfere Schuldenregeln gefordert. Es bestehe die Gefahr, dass die Staatsverschuldung untragbar werde, wenn in dieser Legislaturperiode keine harten Entscheidungen getroffen würden, heißt es darin.

„Wenn wir die schwerwiegenden Risiken angehen wollen, denen wir gegenüberstehen, ist Durchwursteln keine Option“, sagte der Ausschussvorsitzende George Bridges. „Wir brauchen revidierte Schuldenregeln, die Zähne haben und Minister zur Rechenschaft ziehen.“ Lord Bridges of Headley ist ein konservativer Politiker, der zuvor als parlamentarischer Unterstaatssekretär im Ministerium für den EU-Austritt tätig war.

Wenn wir die schwerwiegenden Risiken angehen wollen, denen wir gegenüberstehen, ist Durchwursteln keine Option. Wir brauchen revidierte Schuldenregeln, die Zähne haben und Minister zur Rechenschaft ziehen.

Lord Bridges of Headley

Klarer Rahmen für Schuldenabbau

Statt eines sich ständig verschiebenden Ziels zur Schuldenreduzierung bedürfe es eines Rahmens, der zeige, um wie viel niedriger die Verschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) zu einem bestimmten Zeitpunkt in fünf Jahren sein sollte, wenn keine außerordentlichen Ereignisse dazwischenkommen. Er sollte auch glaubwürdige Steuer- und Ausgabenpläne für die fünf Jahre beinhalten.

Bislang gibt es faktisch nur eine Schuldenregel, obwohl sich die britischen Konservativen viel auf ihren wirtschaftspolitischen Sachverstand zugutehalten. Die Neuverschuldung muss gemessen am BIP zwischen dem vierten und fünften Jahr des Prognosezeitraums fallen. Aus Sicht von Bridges ist diese Regelung „fehlerhaft“.

Schuldenbremse fehlt

Geschaffen wurde sie vom konservativen Schatzkanzler Jeremy Hunt. Die Labour-Regierung hat sie dann in ähnlicher Form übernommen. Eine gesetzliche Schuldenbremse wie in Deutschland gibt es in Großbritannien nicht. Der Ausschuss empfahl nach eingehender Diskussion auch nicht die Einführung einer solchen Regel.

Zuletzt lag die Staatsverschuldung bei 99,4% des BIP oder 2,74 Bill. Pfund. Großbritannien hatte nach dem Zweiten Weltkrieg einen noch höheren Schuldenberg abzutragen. Dabei halfen eine Reihe von positiven Trends wie der Babyboom, ein schrittweiser Rückgang der Verteidigungsausgaben sowie das Wachstum des Welthandels. Das Wirtschaftswachstum ermöglichte in dieser Zeit, dass die Staatsverschuldung trotz Haushaltsdefizit zurückging.

Trendwende zum Schlechteren

Diese positiven Trends haben sich mittlerweile umgekehrt. Das Bevölkerungswachstum sei „anämisch“, heißt es in dem Bericht. Die neue Regierung stehe unter Druck, mehr auszugeben, um eine alternde Bevölkerung zu unterstützen. Sie hat sich verpflichtet, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen.

Zudem muss in die Energiewende, die Infrastruktur und andere öffentliche Dienstleistungen investiert werden. Dabei sind die Zinsen und damit die Finanzierungskosten der öffentlichen Hand höher als in der jüngsten Vergangenheit.

Strukturelle Veränderungen

Die Struktur der britischen Staatsschulden habe sich verändert, notierten die Ausschussmitglieder. In aufeinanderfolgenden Runden von Quantitative Easing seien langlaufende Anleihen gegen Schulden mit kurzer Laufzeit getauscht worden. Zugleich sei ein größerer Teil der Staatsverschuldung inflationsgeschützt und werde von ausländischen Investoren gehalten.

Dadurch seien die Kosten für den Schuldendienst anfälliger für Veränderungen bei den Zinsen und der Inflation und plötzliche Stimmungsschwankungen am Markt geworden. Angesichts der geopolitischen Risiken brauche die Regierung einen größeren fiskalischen Puffer, um auf künftige wirtschaftliche Schocks vorbereitet zu sein – ein weiteres Argument für strengere Schuldenregeln.

Zuwanderung keine Lösung

Der Ausschuss kam auch zu dem Schluss, dass eine hohe Nettozuwanderung in der Vergangenheit das BIP-Wachstum gefördert habe. Sie habe aber wenig zum BIP pro Kopf beigetragen, heißt es in der Zusammenfassung. Eine hohe Nettozuwanderung könne deshalb keine Lösung für das Schuldenproblem sein.

Die Kosten der Energiewende werden dem Bericht zufolge den Druck auf die öffentlichen Finanzen weiter erhöhen. Es sei deshalb nötig, dass die Regierung einen voll finanzierten und kohärenten Plan produziert und veröffentlicht, der zeigt, wie die Net-Zero-Ziele erreicht werden sollen, heißt es.

Schulden sind Schulden

Eine weitere Empfehlung erinnert an die deutsche Debatte: Die Kreditaufnahme für Investitionen sollte nicht losgelöst vom Schuldenziel erfolgen. Denn es gebe keine klare Definition dafür, welche Staatsausgaben als Investitionen zu klassifizieren seien.

Die Oberhausabgeordneten haben das Timing ihres Berichts zu den Schuldenregeln gut gewählt. Im Oktober will Schatzkanzlerin Rachel Reeves ihren Haushaltsentwurf vorstellen. Die Regierung muss eine Antwort auf den Bericht geben. Die Haushaltsdebatte im Unterhaus böte dafür eine gute Gelegenheit.

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