Hohe Zinsen, geringe Kaufkraft

Wohnraum wird in Europa immer knapper

8,5% weniger neue Wohnungen in Europa, in Deutschland sollen es 15% weniger werden, erwartet die Forschergruppe Euroconstruct. Kaufen statt Mieten brächte Entlastung, heißt es beim IW.

Wohnraum wird in Europa immer knapper

Wohnraum wird in Europa
immer knapper

Eurocontruct erwartet 8,5 Prozent weniger neue Wohnungen

ba Frankfurt

In Europa und insbesondere in Deutschland werden immer weniger Wohnungen fertiggestellt. Die Forschergruppe Euroconstruct, zu der auch das Ifo Institut gehört, erwartet für dieses Jahr in Europa einen Rückgang um 8,5% zum Vorjahr auf 1,53 Millionen Wohnungen. Ausgehend von dem 2022 erzielten zwischenzeitlichen Höchstwert von knapp 1,85 Millionen Wohnungen dürften die bis einschließlich 2026 erwarteten Einbußen bei 17% oder 318.000 Wohneinheiten liegen.

Für Deutschland wird für 2024 ein Minus von 15% auf 250.000 prognostiziert. In den kommenden beiden Jahren werden Fertigstellungen von 205.000 bzw. 175.000 erwartet – weit weniger als die 400.000 neuen Wohnungen jährlich, die die Ampelregierung als Ziel ausgerufen hatte. Laut dem aktuellen IW-Wohnindex ist die Lage insbesondere in den größten deutschen Städten angespannt. Im Vergleich zu Anfang 2022 seien im zweiten Quartal 2024 in den sieben größten deutschen Städten 27% weniger Mietwohnungen angeboten worden, berichtet das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Bundesweit wurden 18% weniger Wohnungen inseriert als noch zwei Jahre zuvor.

Käufer haben bessere Chancen

Bessere Chancen räumt das IW potenziellen Käufern ein: Die Zahl der zum Verkauf inserierten Eigentumswohnungen sei gegenüber Anfang 2022 um zwei Drittel gestiegen, bei den Ein- oder Zweifamilienhäusern habe sie sich sogar verdoppelt. „Doch auch wenn das Angebot stark gewachsen ist, bleibt die Nachfrage verhalten“, analysieren die Kölner. „Der Grund: Die Kaufpreise sind nach wie vor relativ hoch — ebenso die Finanzierungskosten.“

„Der europäische Wohnungsbau leidet unter gestiegenen Zinsen und der gesunkenen Kaufkraft.“

Ludwig Dorffmeister, Ifo

„Der europäische Wohnungsbau leidet unter gestiegenen Zinsen und der gesunkenen Kaufkraft“, erklärt Ifo-Bauexperte Ludwig Dorffmeister. „Den deutschen Wohnungsneubau belasten darüber hinaus die stark überhöhten Baukosten.“ Die Wohnungsbaubranche steckt in der Krise: Das entsprechende Ifo-Geschäftsklima liegt deutlich im negativen Bereich, 50,2% der Wohnungsbauunternehmen klagten im Juni über Auftragsmangel, die Stornierungsquote liegt bei 13,7%.

Starker Rückgang in Norwegen und Finnland

Noch deutlichere Rückgänge verzeichnet aber der Wohnungsbau in den nordischen Ländern. In Finnland und Schweden werde sich die Zahl der fertiggestellten Einheiten innerhalb eines Jahres ungefähr halbieren. Für Norwegen erwartet Euroconstruct ein Minus von 22%. Positive Signale gebe es in Polen (4%), Irland (10%) und Spanien (15%). Dabei verliert laut Ifo der Neubau im Wohnungssektor an Bedeutung.

Der Neubauanteil sank von 58% im Jahr 2006 auf 37%. „Die Bautätigkeit konzentriert sich zunehmend auf die Pflege und Modernisierung des bereits existierenden Wohnraums“, sagt Dorffmeister.

Für den Tiefbau hingegen sei eine stabile Nachfrage zu erwarten. „Ausbau und Qualitätsverbesserung der Infrastruktur sind eine Daueraufgabe und stehen in allen Ländern weit oben auf der Prioritätenliste“, analysiert Dorffmeister. Die notwendigen Finanzmittel kämen aus vergleichsweise stabilen Quellen wie mehrjährigen nationalen Investitionsfonds oder aus EU-Fördertöpfen.

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