WTO halbiert Wachstumsprognose für Welthandel
WTO halbiert Wachstumsprognose
Welthandel legt 2023 laut Vorhersage nur um 0,8 Prozent zu – Erholung im kommenden Jahr
mpi Frankfurt
Ein Handelsabschwung in vielen Ländern und einer Reihe von Branchen lässt die Welthandelsorganisation WTO pessimistischer auf das laufende Jahr blicken. Besonders bei Eisen und Stahl, Büro- und Telekommunikationsausrüstung sowie Textilien und Bekleidung schwächele der Warenaustausch stark, so die Experten. Die WTO geht daher davon aus, dass der Welthandel 2023 nur leicht um 0,8% zulegen kann, wie die Organisation am Donnerstag mitteilte. Das wäre deutlich weniger als der langjährige Durchschnitt von 2,7%. Im April hatte die Prognose für 2023 noch bei 1,7% gelegen.
Die Gründe für den schwächelnden Welthandel sind laut WTO nicht eindeutig feststellbar. Die sehr hohe Inflation in vielen Ländern, die darauffolgende Zinswende, die Aufwertung des Dollar und geopolitische Spannungen dürften jedoch allesamt dazu beitragen, schreibt die Organisation in ihrem Bericht.
Schwaches erstes Halbjahr 2023
Im ersten Halbjahr 2023 ist der Welthandel laut der WTO-Berechnung sogar um 0,5% geschrumpft. Eine Erholung im zweiten Halbjahr sowie ein Handelseinbruch im letzten Quartal 2022 dürften jedoch dazu führen, dass der globale Warenaustausch 2023 im Vergleich zum Vorjahr zumindest leicht gestiegen ist. Für das kommende Jahr ist die WTO deutlich optimistischer. Sie geht davon aus, dass sich das Wachstum – nicht zuletzt wegen der nachlassenden Inflation – auf 3,3% beschleunigen wird. Dies sind sogar 0,1 Prozentpunkte mehr als bei der Prognose im April. „Dieses Wachstum dürfte durch einen verstärkten Handel mit Gütern vorangetrieben werden, die eng mit dem Konjunkturzyklus verknüpft sind, etwa Maschinen und langlebige Konsumgüter, die sich tendenziell erholen, wenn sich das Wirtschaftswachstum stabilisiert“ sagte WTO-Chefökonom Ralph Ossa.
Das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu Marktwechselkursen beziffern die WTO-Ökonomen auf 2,6% in diesem Jahr und 2,5% im Jahr 2024. Beide Werte entsprechen in etwa der vorherigen Prognose.
Hohe Unsicherheit
Der Ausblick ist jedoch mit einigen Unsicherheiten behaftet. Die Schwächephase der chinesischen Konjunktur könnte länger andauern, was den Welthandel stark belasten würde. Hoch ist die Unsicherheit bei der Inflationsentwicklung. Geht sie schneller zurück als erwartet, könnten die Notenbanken ihre restriktive Geldpolitik früher als gedacht beenden. Genauso gut könnte sich die Teuerung jedoch als hartnäckiger als angenommen erweisen und zu weiteren Zinserhöhungen führen – etwa in der Eurozone. Dies würde die Konjunktur abbremsen.
Sorge vor Zersplitterung des Welthandels
Eine weitere Sorge der WTO gilt der Zersplitterung des Welthandels. Bereits Anfang dieser Woche warnte Generaldirektorin Ngozi Okonjo-Iweala davor, dass eine Blockbildung aufgrund von politischen Spannungen den globalen Wohlstand bedrohen würde. Diese Befürchtung wiederholte sie am Donnerstag.
„Die für 2023 prognostizierte Verlangsamung des Handels gibt Anlass zur Sorge, da sie negative Auswirkungen auf den Lebensstandard der Menschen auf der ganzen Welt hat“, sagte sie. „Eine globale wirtschaftliche Fragmentierung würde diese Herausforderungen nur verschlimmern, weshalb die WTO-Mitglieder die Gelegenheit nutzen müssen, den globalen Handelsrahmen zu stärken, indem sie Protektionismus vermeiden und eine widerstandsfähigere und integrativere Weltwirtschaft fördern.“
Noch keine Anzeichen für Deglobalisierung
Die WTO-Ökonomen sehen wegen der Spannungen des Westens mit Russland und China in den Daten bereits erste Anzeichen einer Fragmentierung. Bislang gebe es aber noch keine Hinweise, dass sich dies so verstärkt, dass es zu einem Trend der Deglobalisierung kommt.
Die WTO erwartet für 2023 kaum noch Wachstum beim Welthandel. Die Prognose für 2024 ist deutlich optimistischer – aber auch von hoher Unsicherheit geprägt. Zudem bekräftigt die WTO ihr Warnung vor einer Zersplitterung des Welthandels. Diese würde den globalen Wohlstand bedrohen.