Zeichen stehen auf Schwarz-Grün
sp Berlin
Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (NRW) stehen die Zeichen in Düsseldorf auf Schwarz-Grün. Ministerpräsident und CDU-Landeschef Hendrik Wüst betonte einen Tag nach dem überraschend deutlichen Wahlsieg seiner Partei zwar, dass er auf alle demokratischen Parteien im Landtag mit einem Gesprächsangebot zur Regierungsbildung zugehen werde.
Doch die Fortsetzung der seit 2017 regierenden schwarz-gelben Koalition ist nach dem schlechten Abschneiden der FDP nicht möglich, und für eine große Koalition mit dem überraschend deutlich geschlagenen Zweitplatzierten SPD fehlt es an politischen Gemeinsamkeiten. Bleibt als aussichtsreichstes Zweierbündnis eine Koalition mit den Grünen, die ihren Stimmenanteil gegenüber 2017 fast verdreifacht haben. Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis kam die CDU bei der Landtagswahl auf 35,7% (+2,7 Prozentpunkte) der Stimmen. Die Union setzte sich am Ende klar gegen die SPD durch, die um 4,5 Punkte auf 26,7% abrutschte und ihr bisher schlechtestes Landtagswahlergebnis in NRW erzielte. Die Grünen legten 11,8 Punkte auf 18,2% zu. Die FDP büßte 6,7 Prozentpunkte auf 5,9% ein. Die AfD schaffte es über die 5-%-Hürde, während die Linke nicht in den Landtag einzog. Die Wahlbeteiligung sank auf 55,5% und damit auf den niedrigsten Stand bei einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Im Vergleich mit der Bundestagswahl im Herbst stieg der Anteil der Nichtwähler in dem Bundesland von 24,2% auf 44,9%, wie das Meinungsforschungsinstitut Forsa vorrechnet. Bei keiner Landtags- oder Bundestagswahl seit 1946 habe es in NRW mehr Nichtwähler gegeben.
Klimaschutz und Industrie
Größte Herausforderung für die nächste Landesregierung sei „die Versöhnung von Klimaschutz und Industrieland“, sagte Wüst am Montag nach den Sitzungen der Parteigremien in Berlin und versprach, „auf Augenhöhe“ mit dem künftigen Regierungspartner zusammenarbeiten zu wollen. Zwei Botschaften, die man als Bewerbung bei Grünen-Landeschefin Mona Neubaur verstehen konnte. Die grüne Spitzenkandidatin wollte sich am Montag aber ebenfalls noch nicht festlegen. „Für uns gibt es auch mit diesem Wahlergebnis keine Automatismen und keine Ausschlüsse von Koalitionen unter demokratischen Parteien“, sagte Neubaur in Berlin.
Eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP ist in Nordrhein-Westfalen rechnerisch ebenfalls möglich, hat politisch aber kaum Chancen. „Zu einer Demokratie gehören auch anständige Verlierer“, betonte der Spitzenkandidat der Liberalen, Joachim Stamp, am Montag in Berlin. CDU und Grüne hätten einen klaren Auftrag zur Regierungsbildung erhalten, sagte der FDP-Landeschef. Er rechne deshalb nicht damit, dass SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty die Bildung einer Ampel mit ihm sondieren werde.
Auch Kutschaty sieht zumindest in der ersten Runde der Koalitionsgespräche in Düsseldorf mittlerweile CDU und Grüne am Zug. Man werde sich anschauen, wie die erste Kontaktaufnahme der beiden ablaufe, sagte er am Montag in Berlin. Rechnerisch seien aber verschiedene Bündnisse möglich, betonte der SPD-Spitzenkandidat. „Wir bieten den Grünen und der FDP Gespräche an, um eine Regierung zu bilden“, kündigte Kutschaty an. SPD-Co-Chef Lars Klingbeil sagte, dass Wüst die Aufgabe der Regierungsbildung habe. Die SPD sei aber bereit, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Am Sonntagabend hatten Kutschaty, Klingbeil und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert noch kämpferische Töne angeschlagen und erklärt, dass die SPD die Möglichkeiten einer Regierungsbildung unter eigener Führung sondieren werde.
Am Montag war die SPD-Parteispitze vor allem bemüht, jeden Eindruck einer Mitverantwortung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für das schlechte Wahlergebnis zu zerstreuen. Scholz hatte sich im Wahlkampf an der Seite von Kutschaty engagiert. Auch die Sorge, dass der Ampel-Partner FDP wegen des schwachen Abschneidens in Nordrhein-Westfalen in der Bundesregierung nach Möglichkeiten zur Profilierung ohne Rücksicht auf die Koalitionspartner suchen werde, wies SPD-Co-Chef Klingbeil zurück.
Finden CDU und Grüne in Düsseldorf zusammen, wäre es das erste schwarz-grüne Bündnis, das das bevölkerungsreichste Bundesland regiert. In Schleswig-Holstein, wo CDU und Grüne vor einer Woche triumphierten, könnte demnächst eine schwarz-grüne Koalition das Jamaika-Bündnis der vergangenen fünf Jahre ablösen. In Hessen regieren CDU und Grüne seit 2014 zusammen, und in Baden-Württemberg ist die grün-schwarze Koalition erst im vergangenen Jahr bestätigt worden.