Geldpolitik

Zeit für die Wende

Die geldpolitische Wen­de nach der Coronakrise, die sich bis dato primär in vielen Schwellenländern vollzogen hat, hat endgültig einige der wichtigsten Währungsräume erreicht – vor allem die USA. Und das ist auch gut so.

Zeit für die Wende

Die US-Notenbank Fed fährt ihre billionenschweren An­leihekäufe zurück und steuert auf eine Zinserhöhung womöglich schon in der zweiten Jahreshälfte 2022 zu. Die Bank of England avisiert sogar eine noch frühere Anhebung und könnte be­reits im Dezember zur Tat schreiten. Die geldpolitische Wen­de nach der Coronakrise, die sich bis dato primär in vielen Schwellenländern vollzogen hat, hat in diesen Tagen endgültig einige der wichtigsten Währungsräume erreicht. Und das ist auch gut so.

In der Pandemie und der dadurch ausgelösten Jahrhundertrezession haben die Zentralbanken rund um den Globus zu beispiellosen Maßnahmen ge­griffen, die Leitzinsen auf Re­kordtiefs gesenkt und Tausende Milliarden Dollar ins Finanzsystem und den Wirtschaftskreislauf gepumpt. Damit haben sie noch Schlimmeres verhindert, das verdient Anerkennung. Jetzt hat die Pandemie aber zumindest ihren schockartigen Schrecken verloren, und der wirtschaftliche Schaden neuer Infektionswellen wird immer geringer. Für Notmaßnahmen besteht da keine Notwendigkeit mehr.

Natürlich, nicht zuletzt wegen der weltweiten Materialengpässe verliert die Konjunktur vielerorts an Schwung und ist die Unsicherheit groß. Aber es geht ja jetzt nicht darum, den Schalter von einer extrem expansiven auf eine restriktive Geldpolitik um­zulegen. Im Gegenteil: In den USA als weltgrößter Volkswirtschaft und wichtigstem Währungsraum sind die Finanzierungskonditionen trotz Tapering und Zinserhöhungserwartungen weiter äußerst günstig. Aber erste Schritte Richtung Normalisierung sind dringend geboten – nicht zuletzt wegen der Risiken der ultralockeren Geldpolitik für die Finanzstabilität.

Diese Normalisierung muss schrittweise geschehen. Die Zinserhöhungserwartungen in Großbritannien waren da zuletzt wohl etwas über Ziel hinausgeschossen – was das überraschende Stillhalten der Bank of England am Donnerstag womöglich mit erklärt. Aber das ändert nichts daran, dass sich die Notenbanken auf den Weg machen müssen.

Das gilt umso mehr im Angesicht der hohen Inflation, die sich als sehr viel hartnäckiger er­weist als gedacht. US-Notenbankchef Jerome Powell brachte es jetzt gut auf den Punkt: Der Inflationsanstieg werde weiterhin als temporär eingeschätzt, aber das Risikoszenario sei eine höhere Inflation – und die Fed müsse in der Lage sein, auf alle möglichen Szenarien zu reagieren. Solche ausgewogenen Töne würde man sich auch aus der EZB-Spitze mal wünschen. Die Zentralbanken müssen wachsam sein, klar kommunizieren, dass sie notfalls einschreiten, – und dann gegebenenfalls auch handeln.

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