Zweites Entlastungspaket steht
sp Berlin
Die Mitglieder des Koalitionsausschusses mussten viel Energie aufwenden, bis sich die Spitzen des Ampel-Bündnisses nach mehr als elf Stunden langen Verhandlungen am Donnerstagmorgen auf die Inhalte eines zweites Entlastungspakets einigen konnten. Mit den Maßnahmen will die Bundesregierung die Folgen der rasant gestiegenen Energiepreise mildern. Im Zentrum steht eine auf drei Monate befristete Absenkung der Mineralölsteuer sowie die einmalige Auszahlung einer Energiepreispauschale über 300 Euro an alle Steuerpflichtigen.
Vertreter der Wirtschaft zeigten sich in ersten Reaktionen enttäuscht und auch bei Ökonomen stieß das Paket zunächst nur auf verhaltene Zustimmung. Über Hilfen für besonders betroffene Unternehmen, die wegen der hohen Energiepreise in die Krise rutschen könnten, habe man noch nicht beraten, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) nach den Verhandlungen.
Das Volumen der Entlastungen veranschlagte Lindner in der Größenordnung des vor vier Wochen auf den Weg gebrachten ersten Paketes, das auf rund 16 Mrd. Euro beziffert wird. Insgesamt dürften sich die Entlastungen damit auf rund 30 Mrd. Euro summieren. Der geplante Ergänzungshaushalt, mit dem die Folgen der russischen Invasion in der Ukraine gestemmt werden sollen, werde noch darüber liegen, weil hier auch Kosten für die Bewältigung der Flüchtlingswelle berücksichtigt werden müssten, betonte Lindner.
„Es hat etwas Zeit gebraucht, die unterschiedlichen Maßnahmen zu bewerten und zu einem Paket zu verbinden, aber es ist gelungen“, sagte der FDP-Chef im Anschluss an den Verhandlungsmarathon. Unterschiedliche Bewertungen hatte es innerhalb der Ampel vor allem bezüglich des von Lindner vorgeschlagenen „Tankrabatts“ gegeben, der im Paket nun nicht enthalten ist. Dafür hat sich die Koalition auf eine Absenkung der Mineralölsteuer geeinigt, die Benzin um 30 Cent und Diesel um 14 Cent pro Liter billiger machen soll. Ergänzend wird ein Nahverkehrsticket zum Monatspreis von 9 Euro kommen, das über 90 Tage angeboten wird.
Die Beratungen hätten etwas länger gedauert, als man es sich in der Koalition vorgenommen habe, räumte die Co-Parteichefin der Grünen, Ricarda Lang, ein. Nachtsitzungen hatte sich die Ampel in Erinnerung an so manche Krisensitzung der Vorgängerregierung während der Corona-Pandemie eigentlich verboten. Für die Grünen hat es sich gelohnt. Sie hatten in den vergangenen Tagen jedenfalls für ein Pro-Kopf-Energiegeld geworben, das jetzt als einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro kommt.
Die Regierung beweise mit dem zweiten Entlastungspaket innerhalb von vier Wochen, dass sie in schwierigen Zeiten handlungsfähig ist, erklärte Lars Klingbeil, Co-Parteichef der SPD. In dem jetzt beschlossenen Paket enthalten ist auch ein einmaliger Bonus von jeweils 100 Euro zum Kindergeld und für Sozialhilfe-Empfänger. Hinzu kommen Maßnahmen für mehr Energieeffizienz in Gebäuden, um den Verbrauch fossiler Energie langfristig zu reduzieren. Dazu soll beispielsweise der Austausch alter Heizungen beschleunigt und ab 2024 nur noch solche eingebaut werden, die zu mindestens 65% mit erneuerbaren Energien laufen. Bisher war dies ein Jahr später geplant.
Bereits im ersten Entlastungspaket von Ende Februar hatte die Regierung steuerliche Erleichterungen etwa über die Pendlerpauschale angekündigt. Ab Juli soll die Abgabe auf den Strompreis zur Förderung erneuerbarer Energien wegfallen. Das könnte den Tarif um ein Fünftel verbilligen. Dies hatten auch Wirtschaft und Gewerbe gelobt. Die jetzt beschlossenen Maßnahmen stoßen in der Wirtschaft dagegen auf wenig Gegenliebe.
„Die Beschlüsse der Regierungskoalition können die großen Sorgen in der Wirtschaft nicht wirklich verringern“, stellte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Peter Adrian, ernüchtert fest. Die Senkung der Energiesteuer für drei Monate sei aus Sicht vieler Betriebe nur ein Tropfen auf den heißen Stein und könne der besonders stark betroffenen Industrie ohnehin nicht helfen. Die historisch hohen Strom- und Energiepreise bedrohten viele deutsche Unternehmen in ihrer Existenz.
Zu ungenau für Ökonomen
„Um die Lasten aus dieser Preisexplosion abzufedern und Härten auszugleichen, reicht die temporäre Entlastung bei Spritkosten nicht aus“, sagte auch Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. „Zusätzlich sollten auch die Verbrauchssteuern bei Strom und Gas auf die europäisch zulässigen Mindestsätze gesenkt und die CO2-Abgabe befristet ausgesetzt werden“, forderte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. Ökonomen wie Ifo-Chef Clemens Fuest bemängelten, dass die Senkung der Mineralölsteuer wenig zielgerichtet für Entlastung sorge und Anreize für einen höheren Verbrauch fossiler Energien setze.