Japan

Abenomics forever

Japans Politik mangelt es an Fantasie und Mut, andere Wege als eine expansive Geld- und Fiskalpolitik auszuprobieren.

Abenomics forever

Erst Yoshihide Suga, nun Fumio Kishida – zum zweiten Mal in Folge haben die Königsmacher der japanischen Liberaldemokraten (LDP) ihren Wunschkandidaten als Partei- und Regierungschef durchgesetzt. Wieder argumentierten die „3 As“ – Ex-Premier Shinzo Abe, Finanzminister Taro Aso und Steuerpolitik-Chef Akira Amari – mit Stabilität und Kontinuität. Zugleich lenkte die Gruppe hinter den Kulissen ihre Truppen so, dass dem favorisierten Reformer Taro Kono der Weg nach oben versperrt blieb.

Mit Kishida an der Spitze wird der Generationswechsel in der Dauerregierungspartei erneut auf die lange Bank geschoben. Die alte Parteigarde ignorierte die Popularität von Kono bei Wählern und beim Parteivolk. Der 58-jährige Minister für die Covid-Impfkampagne steht für einen modernen Auftritt der Inselnation und fordert eine schnelle Digitalisierung der Verwaltung sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien. Kono kommuniziert lieber mit seinen 2,4 Millionen Twitter-Followern als mit den Parteioberen. Doch für deren Geschmack neigt er zu sehr zu Alleingängen und weicht zu stark von der erzkonservativen Parteilinie ab. Außerdem fürchtet sich Abe seit seinem Rücktritt im September 2020 davor, dass er für Fehltritte in seiner Regierungszeit juristisch belangt wird. Unter einem Premier Kishida ist eine Strafverfolgung unwahrscheinlich.

Wenn das Parlament am Montag den 64-jährigen Ex-Außenminister zu Nippons Regierungschef wählt und sein Kabinett die Arbeit aufnimmt, dann macht Japan also weiter wie bisher, ganz nach der Devise „Abenomics forever“. Ihre drei „Pfeile“ fliegen und fliegen. Die Geldpolitik wird ultralocker bleiben, denn von Inflation ist nichts zu sehen. Der Staat wird die Wirtschaft weiter stützen. Schon wenige Minuten nach seinem Sieg kündigte der neue LDP-Chef ein massives Konjunkturpaket noch vor dem Jahresende an. Wahrscheinlich wird es schon bald geschnürt, um die Chancen der LDP bei der Parlamentswahl im November zu vergrößern. Kishida hat auch schon neue Wachstumsinitiativen versprochen, darunter eine Stiftung mit Forschungsmilliarden für die Universitäten, eine bessere Infrastruktur gegen Naturkatastrophen sowie die technologische Aufrüstung der ländlichen Gebiete. Eine Umsetzung dieser Pläne erfordert noch höhere Staatsausgaben, die ohne Nullzins nicht finanzierbar wären.

Nun haben viele Industrienationen das japanische Abenomics-Konzept übernommen, um die ökonomischen Schäden der Pandemie zu begrenzen. Auch in Japan beeinträchtigen die Corona-Maßnahmen den Privatkonsum und den Dienstleistungssektor. Insofern sind eine expansive Geld- und Fiskalpolitik gerechtfertigt. Aber auch nach der Überwindung von Covid-19 will die LDP daran nichts ändern. Japans Politik mangelt es an Fantasie und Mut, andere Wege auszuprobieren. Zwar machte Kishida die neoliberale Wirtschaftspolitik der vergangenen zwanzig Jahre dafür verantwortlich, dass sich die Wohlstandsschere geöffnet hat. Aber sein Vorschlag, die Unternehmen für Lohnerhöhungen mit Steuernachlässen zu belohnen, klingt wenig überzeugend. Offensichtlich griff Kishida mit seinem Slogan eines „neuen japanischen Kapitalismus“ nur eine Kritik der Opposition auf, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen – eine bewährte Taktik der Liberaldemokraten vor Parlamentswahlen.

Doch selbst wenn der neue Regierungschef den anstehenden Urnengang mit seinem frischen Amtsbonus und aufgrund der Schwäche der Opposition wie erwartet klar gewinnt – sein Vorvorgänger Abe und dessen Unterstützer bleiben die wahren starken Männer der LDP. Bereits bei der Auswahl seines Kabinetts wird Kishida diesem Machtzentrum Tribut zollen müssen, gegen die Interessen der 3 As kann er kaum handeln. Immerhin hat ihre Dominanz auch einen Vorteil: Solange sie im Hinterzimmer die Fäden in der Hand halten, wird die LDP nicht in die instabilen Zeiten mit schnell wechselnden Premiers zurückfallen, wie es nach dem Amtszeitende der politischen Riesen Yasuhiro Nakasone und Junichiro Koizumi passierte.

Auch Kishida selbst bringt gute Voraussetzungen für eine längere Regierungszeit mit. Ganz im Gegensatz zu seinem zurückgetretenen Vorgänger Suga kommt er als engagierter Vollblutpolitiker rüber, besitzt Ausstrahlung und Redetalent und verfügt als Chef einer eigenen Fraktion zumindest über eine kleine Hausmacht in seiner Partei. Schade für Japan, dass er mit diesen Kompetenzen nur den Status quo erhalten will.

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