Telekommunikation

Alles Hokuspokus

Konvergenz von Mobilfunk, Festnetz und TV war das Zauberwort im Deal-Fieber der Telekombranche. Das Scheitern von Vodafone lässt vermuten: alles Hokuspokus.

Alles Hokuspokus

Beim britischen Mobilfunkriesen Vodafone ist Feuer unterm Dach. CEO Nick Read musste vor kurzem einräumen, dass der Gewinn im laufenden Geschäftsjahr auf der Stelle treten dürfte und der Cashflow sinkt. Zwar erhält der angeschlagene Spitzenmanager Schützenhilfe durch den neuen – augenscheinlich sehr friedlichen – Großaktionär Etisalat, der mit 9% einsteigt. Das wird den Streubesitz und vor allem den aktivistischen Investor Cevian, der Vodafone aufs Korn genommen hat, aber kaum ruhigstellen. Das sogenannte geopolitische Umfeld ist nicht mehr als eine leicht greifbare Ausrede. Krisenherd ist stattdessen die wichtigste Konzerntochter Vodafone Deutschland, die für fast ein Drittel des Gesamtumsatzes der Gruppe steht und schon im vergangenen Turnus einen äußerst mageren Zuwachs gezeigt hat. Der Gewinnanstieg in Düsseldorf von 6,5% resultierte nicht zuletzt aus Synergien aus der Übernahme von Unitymedia, die – wie das Unternehmen stolz berichtet – zwei Jahre früher als geplant vollständig gehoben wurden. Allerdings nehmen sich 425 Mill. Euro gemessen an einem Kaufpreis von rund 11 Mrd. Euro für die zweitgrößte deutsche Kabelgesellschaft eher bescheiden aus – und sie lassen sich auch nicht wiederholen.

Es bleibt die ernüchternde Tatsache, dass der Mobilfunkkonzern in einem gigantischen Akquisitionsfeldzug in Europa allein in Deutschland (und einigen osteuropäischen Ländern) mit zwei großen Kabel-Deals rund 28 Mrd. Euro versenkt hat. Weitaus wichtiger als die bescheidenen Kostensynergien waren dabei die versprochenen „Wachstumssynergien“, auf die die Anleger bisher vergeblich warten. Im Gegenteil: Das Festnetz, das aufgrund der Kabel-Assets als Triebfeder des Geschäfts auserkoren war, zeigte im zurückliegenden Geschäftsjahr per Ende März mit kümmerlichen +0,5% praktisch gar keinen Erlöszuwachs. Da kam sogar die Mobilfunksparte noch schneller voran. Außerdem ist von Kundengewinnen kaum noch die Rede, bei Festnetz und TV sank die Zahl der Nettoneukunden in der zweiten Jahreshälfte zusammen um rund 300000.

Dass Deutschlandchef Hannes Ametsreiter seinen Hut nehmen musste, ist keine Überraschung, wird aber kaum ausreichen, um einen strategischen Irrweg zu korrigieren, mit dem Vodafone allerdings nicht allein steht: Die sogenannte Konvergenz, das Angebot von Mobilfunk, Festnetz sowie Internet und TV aus einer Hand, war seit Jahren das Zauberwort der Branche. Es hat durch eine Welle von Zusammenschlüssen zwischen Telekommunikationsnetzbetreibern und Kabelgesellschaften vor allem Private Equity die Taschen gefüllt. Denn viele Finanzinvestoren hatten frühzeitig Kabel-Assets eingesammelt, um auszusteigen, als sich deren zunächst robustes Wachstum abkühlte.

Für die Telekombranche hat sich die Idee von der Konvergenz indes mehr oder minder als Hokuspokus erwiesen. Die Synergien sind bei komplementären Infrastrukturen überschaubar; die Vertiefung der Plattform allein löst kein Problem, sondern schafft eher Reichweite für diejenigen, die auf allen Netzen das Geld verdienen: die sogenannten OTT-Player (Over-the-Top-Anbieter) im Internet, deren Content über die Netze zu den Kunden gelangt, ohne dass die Content-Anbieter dafür zahlen. Das erhöht deren ohnehin satte Margen, während die Netzbetreiber in die Röhre schauen. Die Kunden bezahlen für den Content und haben für den Transport wenig übrig. Allein die Bündelung des Angebots – alle Apps, hunderte von Programmen auf einer Plattform – verfängt nur mäßig. Bei der Deutschen Telekom, die schon 2007 ihre eigene IPTV-Plattform gestartet und diese im Laufe der Zeit mit einem immer reichhaltigeren Angebot bestückt hat, steuern rund 4 Millionen Kunden gut 500 Mill. Euro Umsatz im Quartal bei – nach 15 Jahren. Der Bonner Konzern hat sich angesichts dieser Größenordnung Investitionen in teuren Content bisher wohlweislich versagt. Konvergenz-Deals hat er nur in kleinerem Stil gemacht, in den Niederlanden und Österreich, dabei das Geschäft in den Niederlanden aber auch bald danach abgestoßen, ebenfalls eine weise Entscheidung.

Letztlich hat sich gezeigt, dass Konvergenz für die Branche nur bedeutet, eine weitere teure Infrastruktur unterhalten zu müssen, ein Unterfangen, das sich mit dem teuren Upgrade durch Glasfaser als zunehmend erdrückend und un­rentabel erweist. Nicht ohne Grund wird gerade eine neue Zauberformel ersonnen: die Trennung von Netz und Service, wie sie just bei Telecom Italia und BT Group versucht wird. Die Telekomfirmen müssen zusehen, dass sie diesmal auf der Gewinnerseite sind.

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