Banken, Kreditfonds und das Prinzip Hoffnung
Kapitalisierte Zinsen
Kreditfonds und das Prinzip Hoffnung
Von Philipp Habdank
Zinsen ans Ende der Kreditlaufzeit zu schieben, bekämpft nur die Symptome – nicht aber die Krankheit an sich.
Die Rückkehr der Zinsen Mitte 2022 hat Finanzinvestoren und Banken kalt erwischt. Das gilt vor allem für jene Bereiche, wo in der Niedrigzinsphase nach der Finanzkrise besonders aggressiv finanziert wurde. In Deutschland war das vor allem im Leveraged Finance und in der gewerblichen Immobilienfinanzierung der Fall. Da es Fremdkapital quasi zum Nulltarif gab, konnten Eigentümer von Unternehmen oder Gewerbeimmobilien ihre Eigenkapitalinvestments ordentlich hebeln, indem sie ihre Assets mit hohen Schulden aufluden. Natürlich mussten Unternehmen auch im Niedrigzinsumfeld darauf Zinsen zahlen. Es macht allerdings einen gewaltigen Unterschied in der Gleichung, ob neben der fixen Risikomarge der variable Euribor als zweite Preiskomponente mit 0% oder 4% eingeht.
Der sprunghafte Anstieg der variablen Preiskomponente hat daher viele hoch verschuldete Unternehmen im Besitz von Private-Equity-Gesellschaften an den Rand ihrer Kapitaldienstfähigkeit gebracht – oder sogar darüber hinaus. Gleiches gilt für gewerbliche Immobilienprojekte mit hohen Beleihungsausläufen. Für Kreditfonds und Banken, die diese Unternehmen und Projekte mit großen Krediten finanziert haben, ist es ein Problem, wenn ihr Kreditnehmer seinen vereinbarten Kapitaldienst nicht mehr leisten kann. Streng genommen wäre das ein Zahlungsausfall, den Banken wie Kreditfonds gleichermaßen um jeden Preis vermeiden wollen.
Banken und Kreditfonds kaufen sich nur Zeit
Um Zeit zu gewinnen, greift die Finanzbranche daher zu einem alten Trick. Die laufenden Zinszahlungen dieser gestressten Kreditnehmer werden vorsorglich kapitalisiert und ans Ende der Kreditlaufzeit geschoben. Zunächst einmal ist das nicht verwerflich, schließlich gewinnen dadurch alle Parteien Zeit und verschaffen dem verschuldeten Unternehmen finanziell etwas Luft zum Atmen. Nur: Das zugrunde liegende Problem ist dadurch nicht gelöst. Man bekämpft zwar die Symptome, nicht aber die Krankheit. Und die Wurzel allen Übels ist nun mal, dass diese Unternehmen gemessen an ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eine zu hohe Schuldenlast zu tragen haben.
Damit die Rechnung aufgehen kann, müssen in naher Zukunft daher zwei Dinge passieren: Erstens, die variablen Marktzinsen müssen bis zur Fälligkeit wieder deutlich sinken. Zweitens, die operativen Gewinne der Unternehmen, auf die der Verschuldungsgrad gerechnet wird und aus denen Firmen letztendlich ihren Kapitaldienst leisten, müssen deutlich zulegen. Nur dann werden diese Unternehmen eine realistische Chance haben, um sich auf konventionellem Weg am Markt zu refinanzieren. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn die Zinsen nicht schnell genug wieder sinken, wird es eng werden und womöglich auf eine finanzielle Restrukturierung hinauslaufen.
Private Equity wird jeden Stein umdrehen
Auf ein Gewinnwachstumswunder zu setzen, ist angesichts des trüben wirtschaftlichen Ausblicks in Deutschland jedenfalls die deutlich steilere These als die Wette auf weiter fallende Zinsen. Zumindest umsatzseitig dürfte es schwer werden, die vor der Krise gesetzten ambitionierten Wachstumsziele zu erreichen. Um das Ebitda ihrer gestressten Portfoliounternehmen dennoch stabil zu halten oder sogar zu verbessern, muss Private Equity folglich ordentlich an der Kostenschraube drehen. Für das Management und die Mitarbeiter der Portfoliounternehmen bedeutet das natürlich noch größeren Renditedruck, als ihn Private-Equity-Gesellschafter ohnehin schon ausüben.
Gelingt dieser Kraftakt, hat sich der Trick mit den kapitalisierten Zinsen rückwirkend als sinnvolles Restrukturierungsinstrument erwiesen, und die Manager von Private Equity oder Debt Funds ziehen ihren Kopf aus der Schlinge. Sehr wahrscheinlich wird dadurch aber auch das ein oder andere Zombie-Unternehmen entstehen, das es nicht schaffen wird und dessen Exodus dadurch lediglich hinausgezögert wird. Man kann also davon ausgehen, dass es in Zukunft noch den ein oder anderen Kreditfonds geben wird, der sein Investment wird abschreiben müssen oder in einem letzten verzweifelten Versuch die Schlüssel zum Unternehmen nimmt, um als neuer Eigentümer sein Glück in der harten Restrukturierung zu versuchen.