LeitartikelZukunft des Bezahlens

Bargeld – kann das weg oder brauchen wir es mehr als je zuvor?

Die Zukunft des Bargelds in Deutschland wird immer intensiver diskutiert. Es gibt erstaunlich viele gute Argumente für die Beibehaltung. Doch Verbraucher handeln anders.

Bargeld – kann das weg oder brauchen wir es mehr als je zuvor?

Bargeld

Schein und Münzen müssen weichen

Von Wolf Brandes

Es gibt Kipppunkte, wenn der Bargeldanteil so klein wird, dass eine Bargeldversorgung nicht mehr lohnt.

Die Bargeldnutzung geht in Deutschland seit Jahren zurück. Laut Einzelhandelsverband werden zwei Drittel des Umsatzes über Karte oder Handy abgewickelt. Das ist im internationalen Vergleich wenig, Länder wie die Niederlande oder Schweden haben noch einen geringeren Anteil an Barzahlungen.

Diese Entwicklung birgt Risiken. Aus diesem Grund wurde Anfang des Jahres das Nationale Bargeldforum ins Leben gerufen, das Vorschläge für eine zukunftsfeste Bargeldversorgung entwickeln soll. Maßgeblich beteiligt ist die Bundesbank, aber alle relevanten Stakeholder arbeiten mit. Es geht um ein deutliches Zeichen für das Bargeld.

Doch der Trend zum elektronischen Geld ist kaum zu stoppen. Die Bundesbank hatte kürzlich beim Institut für Innovation und Technik eine Studie in Auftrag gegeben, wie es in den nächsten 15 Jahren in der Bezahlwelt aussehen könnte. Ein Szenario beschreibt eine hyperdigitale Welt, in der Bargeld nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Für denkbar halten die Experten auch eine Bargeldrenaissance mit einer Rückbesinnung auf dessen Vorzüge. Aber auch in diesem Fall geht die Bargeldnutzung zurück. Und das dritte Szenario beschreibt eine pluralistische Zahlungslandschaft, in der Bargeld ein Zahlungsmittel unter vielen ist.

Gute Argumente für Cash

Es gibt gute Argumente für Bargeld. Etwa die Inklusion, weil sich nicht alle Menschen Karten oder Smartphones leisten oder damit umgehen können. Bargeld schließt niemanden aus. Darüber hinaus ist Bargeld resilient, Stromausfälle, Hackerattacken oder Probleme am Kassenterminal gibt es nicht. Ein drittes Argument ist der Datenschutz. Als einziges Zahlungsmittel ist Bargeld wirklich anonym. Die meisten Menschen stört es aber nicht, wenn sie auch Kleinstbeträge mit dem Smartphone bezahlen. Wer interessiert sich schon dafür, dass ich zu einer bestimmten Zeit beim Bäcker Brötchen gekauft habe. Wir sind es gewohnt, dass unsere Onlinedaten genutzt werden. Dass beim elektronischen Bezahlen Konzerne im Hintergrund stehen und viele technische und rechtliche Bedingungen eine Rolle spielen, nimmt man nicht wahr. Das Bezahlen mit Karte oder Handy geht eben schneller.

Bargeld macht unabhängig

Für Bargeld spricht auch die Autonomie des Währungsraums. Man kann über dieses Zahlungsmittel bestimmen und ist nicht abhängig von den USA. Die elektronischen Zahlungssysteme sind überwiegend amerikanisch und man darf das als Risiko auffassen. Eine Abhängigkeit zu vermeiden, ist doch auch das Ziel der European Payments Initiative EPI, die ein europäisches Zahlungssystem in Konkurrenz zu Visa & Co. aufbauen will.

Befragt man die Verbraucher, wie sie es mit dem Bargeld halten, dann sagen laut einer Bundesbank-Umfrage 93%, dass sie selbst entscheiden wollen, ob sie bar zahlen oder elektronisch. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat ebenfalls eine Umfrage durchführen lassen. Demnach möchten 75% nicht auf Bargeld verzichten.

Die hohen Zustimmungswerte stehen im Widerspruch zum Bezahlverhalten. An der Kasse entscheidet am Ende die Bequemlichkeit. Beim Onlineshopping stellt sich die Frage nach dem Bargeld nicht, aber man könnte auch einen europäischen Zahlungsdienstleister wie Giropay statt Visa oder Paypal wählen. Doch die Verbraucher wählen in den allermeisten Fällen die einfachste Variante. Die Frage der Autonomie eines Zahlungssystems stellt sich in der Situation nicht.

Kritische Grenze

Es gibt einen Kipppunkt, der eintritt, wenn der Bargeldanteil so klein wird, dass eine Bargeldversorgung beziehungsweise eine Bargeldakzeptanz beim Händler immer weiter sinkt. Man kann dann nicht mehr mit Bargeld überall bezahlen. Irgendwann wird man dann auch gar kein Bargeld mehr haben wollen.

Offen ist, ob dieser Kipppunkt kommt. Die Bundesbank hält eine Welt ohne Bargeld in den nächsten 15 Jahren für nicht plausibel. Aber in Stein gemeißelt ist es nicht, dass Bargeld auch auf lange Sicht als universales Zahlungsmittel genutzt wird.

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