Aktionärsblöcke

Bei Generali kommt es zum großen Showdown

Auf der Hauptversammlung des Versicherers Generali am 29. April treten die Aktionäre Leonardo Del Vecchio und Francesco Caltagirone, die ein alternatives Management und eine alternative Strategie vorschlagen, gegen den Großaktionär Mediobanca an, der die aktuelle Geschäftsführung unterstützt.

Bei Generali kommt es zum großen Showdown

Von Gerhard Bläske, Mailand

Am 29. April kommt es bei der Hauptversammlung der italienischen Versicherung Generali in Triest zum großen Showdown zwischen zwei Ak­tio­närs­blöcken. Auf der einen Seite steht die Mehrheit des derzeitigen Ver­waltungsrats um den Großaktionär Mediobanca, die nach einer Aktien­an­leihe von 4,4% etwa 17,2% des Kapitals kontrolliert. Auf der anderen Seite sind die zwei greisen Unternehmer Francesco Gaetano Caltagirone und Leonardo Del Vecchio, die zusammen mit der mit ihnen verbündeten Turiner Sparkassenstiftung CRT um die 20% der Anteile halten.

Jeweils eigene Kandidaten

Die beiden Aktionärsblöcke haben jeweils Kandidatenlisten für die Besetzung des neuen Verwaltungsrats mit eigenen Kandidaten auch für die Rollen des Chairman und des CEO vorgelegt. Außerdem haben beide Seiten Strategiepläne erarbeitet und ziehen auf Roadshows durch die Welt, um möglichst viele der institutionellen Anteilseigner zu überzeugen, deren Stimmen bei der Hauptversammlung den Ausschlag für die eine oder die andere Seite geben.

Beim Blick auf die wichtigsten Punkte der beiden Strategiepläne zeigen sich Unterschiede, die für einen Außenstehenden nicht un­über­brück­bar wirken. Die Gruppe um Caltagirone und Del Vecchio wirft dem seit sechs Jahren amtierenden CEO Philippe Donnet, der für eine weitere Amtszeit von drei Jahren kandidiert, im Wesentlichen vor, eine zu wenig ehrgeizige Strategie zu verfolgen. Luciano Cirinà, langjähriger Generali-Spitzenmanager und Kandidat Caltagirones für das Amt des CEO von Generali, spricht von „ungenutzten Potenzialen“. Caltagirone und Del Vecchio wünschen sich eine ambitioniertere Akquisitionspolitik auch um den Preis einer höheren Verschuldung, eine aggressivere Strategie in China (!), Indien, Spanien und anderen europäischen Ländern sowie den Ausbau des Assetmanagements. Außerdem sei Generali im Gegensatz etwa zur deutschen Allianz zu wenig profitabel, weshalb mehr in die Digitalisierung investiert und Kosten reduziert werden müssten. Generali sei gegenüber Axa, Allianz und Zurich ins Hintertreffen geraten. Die zu den wenigen großen Konzernen Italiens gehörende Versicherung drohe weiter an Bedeutung zu verlieren. Es gelte, „den Löwen aufzuwecken“, heißt es in Anspielung auf das Firmenlogo mit dem geflügelten Löwen Venedigs im Wappen.

Caltagirone und Del Vecchio haben in einigen Punkten nicht ganz unrecht. Vor 20 Jahren lag Generali beim Börsenwert auf Platz zwei in Europa hinter Allianz. Heute sind die Italiener nur noch halb so viel wert wie Axa und Zurich und nur noch ein Drittel so viel wie die Allianz. Unter Donnets Führung hat sich Generali jedoch im Hinblick auf den Aktienkurs und die Ausschüttung – mit Ausnahme von Zurich – besser entwickelt als die Konkurrenz. Die Aktienrendite ist zwischen 2016, als Donnet startete, und Ende 2021 um 120% gewachsen. Die Dividende ist von 80 Cent auf 1,07 Euro je Aktie angehoben worden. Generali hat sich vom renditeschwachen klassischen Lebensversicherungsgeschäft ge­trennt und zugekauft wie zuletzt den großen italienischen Versicherer Cattolica. Donnet hat trotz der Corona-Pandemie alle Ziele seiner bisherigen Strategiepläne erfüllt oder überer­füllt, Schwächen erkannt und setzt seit einiger Zeit auf den Ausbau der Vermögensverwaltung, auch in den USA, sowie begrenzte Übernahmen.

Angesichts der guten Ergebnisentwicklung und der attraktiven Ausschüttungen der vergangenen Jahre ist der Streit schwer nachvollziehbar. Dies gilt umso mehr, als Caltagirone 15 Jahre im Generali-Verwaltungsrat alle Entscheidungen mittrug, viele Jahre sogar als dessen Vizepräsident. Und Cirinà, seit mehr als 30 Jahren bei Generali, war bis vor wenigen Wochen verantwortlich für das ge­samte Osteuropageschäft und Österreich und arbeitete loyal an der Erfüllung der Strategiepläne Donnets mit. Der Verdacht liegt nahe, dass es den beiden erfolgreichen Unternehmern eher um persönliche Motive geht. Del Vecchio wollte einst 500 Mill. Euro für ein renommiertes Onkologieinstitut in Mailand spenden, was dessen Hauptsponsor, Generali-Großaktionär Mediobanca, da­mals ablehnte, um dem Unternehmer keine Mitsprache geben zu müssen.

In früheren Zeiten hätte man Konflikte wie diesen geräuschlos im sogenannten Salotto buono der sehr einflussreichen Investmentbank Mediobanca geregelt. Zwar ist das Insitut noch immer bei fast allen größeren Deals in Italiens Geschäftswelt dabei und extrem gut verdrahtet. Doch sind die oft komplizierten Beteiligungen der Bank an Industrie- und Finanzunternehmen größtenteils aufgelöst worden. Del Vecchio, der sein Vermögen als Brillenunternehmer (Luxottica) gemacht hat, ist mit 19,4% größter Mediobanca-Aktionär. An der Bank hält auch Caltagirone 3,1% – ein pikanter Nebenaspekt der Auseinandersetzung und für Mediobanca-CEO Alberto Nagel nicht ganz ungefährlich.

Tag der Wahrheit: 29. April

Wie die Abstimmung auf der Hauptversammlung am 29. April ausgehen wird, ist noch offen. Cirinà erwartet ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die meisten Analysten halten die Strategie Donnets für glaubwürdiger bzw. realistischer. Auch die Stimmrechtsberater ISS, Glass Lewis und Frontis, deren Votum für institutionelle Investoren meist entscheidend ist, stehen auf der Seite Donnets und von Mediobanca. Der Ausgang des Votums häng vor allem von ihnen, die etwa 35% des Kapitals kontrollieren, ab, aber auch von der HV-Präsenz. Eine große Unbekannte ist das Abstimmungsverhalten der Benettons, die 3,9% der Anteile kontrollieren, sich bisher aber nicht geäußert haben. Ein Sieg Del Vecchios und Caltagirones, die als Vertreter des alten italienischen Kapitalismus gelten, könnte an den Finanzmärkten eher negative Konsequenzen haben, glauben Beobachter. Bis zum 29. April ist alles in der Schwebe.

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