Fondsgeschäft

Börse preist Flaute der Immobilienfonds ein

Die Anteile vieler Immobilienfonds sind an der Börse weniger wert als vor der Pandemie. Fondsanbieter messen den Kursen wenig Bedeutung zu, doch deutet die Entwicklung auf eine Schwächephase hin.

Börse preist Flaute der Immobilienfonds ein

Von Jan Schrader, Frankfurt

Wohnimmobilien laufen super, doch das Gewerbesegment steht unter Druck. Was für den Immobilienmarkt insgesamt gilt, zeigt sich in groben Pinselstrichen auch in der Wertentwicklung von Fonds. Zwar sind die offiziell ausgewiesenen Anteilswerte auch in der Krise tendenziell gestiegen. Doch an der Börse, wo bekanntlich die Erwartung über die Zukunft gehandelt wird, haben die Anteile großer Immobilienfonds nachhaltig an Wert verloren. Die Produkte haben typischerweise einen Schwerpunkt auf Büros, weitere Anteile entfallen auf Einzelhandelsobjekte und Hotels – alles Segmente, die unter Druck geraten sind.

Die Wertverluste an der Börse, die seit Ende 2019 typischerweise einige Prozent ausmachen, sind der Branche ein Dorn im Auge. An den Handelsplätzen sind große Fonds mittlerweile in einigen Fällen weniger wert als im Rücknahmepreis offiziell ausgewiesen. Doch weil an der Börse nur geringe Volumina gehandelt werden, stellt die Branche die Aussagekraft der Entwicklung in Frage. Der Handel von Fondsanteilen sei „nicht liquide“, der Umsatz „sehr gering“ und der Kurs „nicht repräsentativ“. So äußert sich die Commerzbank-Tochter Commerz Real über den Kurs des 16,8 Mrd. Euro schweren Immobilienfonds „Haus­invest“. Auch die Rivalen DWS, Union Investment und DekaBank messen dem Börsen­handel wenig Bedeutung bei. „Aus den Kursen an der Börse kann bei offenen Immobilienfonds keine Ableitung auf die zukünftige Anteilspreisentwicklung getroffen werden“, hält etwa Union Investment fest.

Fondsanteile sind oft mit Mindesthalte- und Kündigungsfristen versehen, so dass die Börse für Anleger einen schnellen Ausstieg erlaubt – oder für Käufer einen günstigen Einstieg, denn für die reguläre Ausgabe von Anteilen sehen die Anbieter einen Aufschlag vor. Der Handel ist aber in der Tat gering: Die Börse Frankfurt etwa weist selbst für große Milliardenfonds Umsätze von meist nicht mehr als wenige Hunderttausend Euro am Tag aus, bei kleinen Fonds verzeichnet die Börse an einigen Tagen überhaupt keinen Handel. Die DekaBank beziffert den täglichen Börsenumsatz für ihre Fonds auf etwa 2 Mill. bis 3 Mill. Euro, was rund 0,01 % des Bestandsvolumens ausmacht. Ein aussagekräftiges Bild entsteht also nur auf längere Sicht und über mehrere Fonds hinweg.

Aus einer Distanz betrachtet passt die Tendenz an den Börsen aber durchaus zu den Perspektiven des Segments: Die Preise für Gewerbeimmobilien sind in der Pandemie insgesamt nicht mehr gestiegen. Während der Zuwachs für Mehrfamilienhäuser in Deutschland auf Jahressicht 10,5 % beträgt, haben Gewerbeimmobilien im Durchschnitt 1,1 % an Wert verloren, wie der Pfandbriefbankenverband VDP zuletzt für das zweite Quartal festgehalten hat. Und während große Fonds unter Druck stehen, gewinnen auf Wohnhäuser spezialisierte Vehikel an der Börse an Wert (siehe Grafik). Deutschlands größter Fonds im Wohnsegment, der noch junge „Uni­immo: Wohnen ZBI“, wird in Frankfurt und einigen anderen Plätzen zwar nicht gehandelt. An der Börse in Hamburg ist er aber immerhin ungefähr so viel wert wie Anfang 2020.

Renditen unter Druck

Zwar haben auch einige große Fonds wie der „Hausinvest“ und der DWS-Fonds „Grundbesitz Europa“ bereits einige Mittel in Wohnobjekte investiert. Insgesamt sind die Anteile aber zu gering, um vom Boom der Wohnobjekte im höheren Umfang zu profitieren. Die Perspektiven der Fonds sind insgesamt etwas trüber als noch vor der Pandemie: Der deutsche Fondsverband BVI weist für die Kategorie der offenen Immobilienfonds per Ende Juli eine Rendite von 2,4 % für die vorangegangenen zwölf Monate aus, während die Produkte über fünf Jahre hinweg im Durchschnitt 3,1 % pro Jahr erzielt haben.

Die Ratingagentur Scope prognostiziert im jüngsten Marktbericht von Juni eine spürbar sinkende Rendite für das laufende Gesamtjahr und hat sechs von 15 Produkten abgewertet. „Nach vorne gerichtet bleiben die mittel- und langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf die konjunkturelle Entwicklung und auf die Immobilienmärkte der relevanteste Risikotreiber“, halten die Analysten fest.

Von einer Vertrauenskrise kann aber keine Rede sein: Das Neugeschäft offener Publikumsimmobilienfonds bewegt sich nach Daten der Bundesbank mit netto 4,4 Mrd. Euro im ersten Halbjahr ungefähr im Mittelfeld der Vergleichswerte der Vorjahre – Anleger bleiben dem Segment also treu, auch wenn die Fondsbranche in anderen Produktkategorien derzeit deutlich mehr Neugeschäft macht. Mit der Krise der Immobilienfonds im Oktober 2008, als Anleger Milliarden abzogen und zahlreiche Vehikel eingefroren und später abgewickelt werden mussten, ist die aktuelle Phase aber nicht vergleichbar. Die Börsenkurse nehmen tendenziell die voraussichtlich niedrigeren Renditen bereits vorweg. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

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