Consolidated Tape

Börsendaten auf einen Blick

Drei Jahre nach Mifid II ist das Ziel, Transparenz an den Märkten zu schaffen, noch nicht ganz erreicht. Schon seit 2018 steht in der EU das Consolidated Tape (CT) auf der Agenda.

Börsendaten auf einen Blick

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Drei Jahre nach der EU-Finanzmarktregulierung Mifid II ist das Ziel, Transparenz an den Märkten zu schaffen, noch nicht ganz erreicht. Die Öffnung des Wertpapierhandels für alternative Plattformen wie die systematischen Internalisierer, zum Beispiel Goldman Sachs, die auf eigene Rechnung handeln, sowie die multilateralen Systeme hat die Zahl der Handelsplätze nach oben getrieben – und den Überblick über Kurse und Volumina verschlechtert. Schon seit 2018 steht in der EU das Consolidated Tape (CT) auf der Agenda, das als Datenticker europaweit Handelsdaten zusammenfassen soll. Jetzt hat die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, an dem sich die Marktteilnehmer reiben. Dabei geht es um Transparenz, Standards und natürlich um Geld. Die einen wollen weniger für Marktdaten zahlen, die anderen fürchten um ihre Einnahmen aus dem Datengeschäft und wiederum Dritte fühlen sich durch die Vorschläge ausgegrenzt.

Demokratisierung im Handel

Einheitliche Handelsdaten für alle Plätze würden Anlegern Informationen darüber liefern, ob sie beim Verkauf oder Kauf von Wertpapieren den besten Preis erzielen, so die Vorstellung der EU. Es könnte auch den Wettbewerb zwischen den Handelsplätzen verbessern. Und weil das CT auch Kleinanlegern zur Verfügung stehen soll, werde es zur „Demokratisierung des Handels in der EU beitragen“. Für den scheidenden Europaabgeordneten der Grünen, Sven Giegold, ist das CT „Pflicht, nicht Kür“.

Beifall kommt für den zeitlich überfälligen Vorschlag aus der Assetmanagementbranche. „Von Anbietern wie Bloomberg und Refinitiv erhalten institutionelle Investoren schon heute Daten in aggregierter Form, allerdings nicht als einheitlichen vergleichbaren Überblick über alle EU-Handelsplätze innerhalb eines Vertrags und zu einem Preis“, sagt Rudolf Siebel, Geschäftsführer des Fondsverbands BVI.

Bislang bilden Datenanbieter nur diejenigen Börsen ab, mit denen der Kunde jeweils einen eigenen Daten­lizenzvertrag abgeschlossen habe, erläutert Siebel und deutet damit auch die Komplexität des EU-Vorhabens an. Als Vertreter der europäischen Vermögensverwaltungsbranche fordert auch der Fondsverband Efama seit langem die Einrichtung eines kostengünstigen CT in Echtzeit, „um die bestmögliche Ausführung und das Liquiditätsrisikomanagement in stark fragmentierten Kapitalmärkten zu unterstützen“.

Kritiker halten das Vorhaben für unausgereift. Der Gesetzgeber sollte sich stärker darum kümmern, die Qualität von Marktdaten sicherzustellen. Rund 250 systematische Internalisierer und mehr als 500 alternative Handelsplätze sind einer der Gründe für die Intransparenz. Diese Vielfalt steht in Kontrast zu anderen Kapitalmärkten wie den USA, die auf 100 alternative Handelsplätze kommen.

Während in den USA konsolidierten Börsendaten für Aktien und Anleihen schon seit Jahrzehnten existieren, macht in Europa der Flickenteppich von Börsen und Handelsplätzen den Durchblick und die Standardisierung schwer. Vonseiten der regulierten Marktplatzbetreiber wird zudem darauf verwiesen, dass in den USA immer noch rund 70% des Handels über die traditionellen Börsen abgewickelt werden, während in Europa der Anteil je nach Handelstag auf zwischen 35 und 50% zurückgegangen sei.

Aus Sicht der Börsen sollte im ersten Schritt erst eine Standardisierung angepackt werden. „Zunächst muss die Datenqualität an die der Börsendaten angeglichen werden“, so Rainer Riess, Chef des europäischen Börsenverbands FESE. Ohnehin bestehe die Frage, wem so ein schnelles CT nutze. In Börsenkreisen heißt es, dass die meisten Investoren eine mögliche Überflutung mit Daten gar nicht gebrauchen könnten und nur einige wenige Marktteilnehmer davon profitieren würden.

Das größte Stück vom Kuchen im EU-Aktienhandel hat sich laut ESMA mittlerweile die CBOE Europe gesichert. Als multilateraler Händler ist das Haus jedoch auch nicht zufrieden mit dem EU-Papier zum CT. Der Vorschlag sei in hohem Maße diskriminierend gegenüber paneuropäischen Handelsplätzen (wie CBOE) und „zeigt einen enttäuschenden Mangel an Ehrgeiz, da er vorbörsliche Daten nicht von Anfang an einbezieht“. Der EU-Plan bezieht sich in der ersten Stufe auf Nachhandelsdaten.

In der Umsetzung des geplanten CT geht es auch um die Zeit, und zwar die Zeitverzögerung, mit der die Daten von den Handelsplätzen bei den Nutzern ankommen. Nach Einschätzung der Fondsbranche liefern die meisten Börsen in der EU Marktinformationen mit einer Verzögerung von im Schnitt 4 bis 5 Millisekunden. „Diese Schnelligkeit brauchen Fondsgesellschaften nicht, im Assetmanagement reicht die von uns und den Brokerverbänden vorgeschlagene Sekunden-Taktung als Realtime-Datenlieferung aus“, sagt BVI Geschäftsführer Siebel. Von Börsen war zuletzt eine Zeitverzögerung von 15 Minuten auch beim Consolidated Tape im Gespräch.

Die Interessenkonflikte der Beteiligten sind sehr groß. Das deutet auch darauf hin, dass sich im weiteren Prozess der Regulierung noch einiges tun könnte. Klar scheint aber auch, dass die riesige Vielfalt der Marktplätze das Vorhaben extrem schwierig macht. Fraglich außerdem, wer von einer Transparenz über Hunderte von Handelsplätzen wirklich profitiert – wohl kaum der Kleinanleger, für den das Instrument ja auch gedacht sein soll.

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